Die Gier und Geilheit, im Dreck zu wühlen, wie es sich in solchen Exzessen üblicherweise verhält, mochten eine reinigende Funktion haben. Aber sie hatten keine Würde und stießen den sinnlichen Feingeist ab, auch wenn er das Tabu selbst gerne brach. In solchen Situationen trennte sich die Spreu vom Weizen. Vielleicht begaben sich gerade deshalb hungrige junge Frauen in diese Situation der völligen visuellen Auslieferung, um zu erfahren, wem sie sich auch körperlich bedingungslos anvertrauen können.
Die Installation dieses Raumes mit der Spezialanfertigung der gläsernen Toilettenschüssel und den elektronisch gesteuerten Wasser- und Abluftregulierungen in schlanken Edelstahlsäulen hatte ein Vermögen gekostet. Natürlich hätte man darauf auch verzichten und dem gelegentlichen Exzess durch den Einsatz der Putzkolonne begegnen können, das war in diskreter Weise ja ohnehin fortwährend nötig. Aber mit diesem Arrangement wird der Moment des Intimen, des ureigenst Persönlichen ganz materiell in ein fast öffentliches, gemeinschaftliches sinnliches Erlebnis verkehrt. Dem Wesen der Orgie als kultisch rituelle Überforderung aller Sinne konnte man so auch in modernen Zeiten zumindest noch nahe kommen.
Diesem Prinzip folgten alle besonderen Rückzugsräume ihres Hauses der Sündigen Engel. Durch die Reduktion auf das Wesentliche warf jeder einzelne die Residenten zurück auf sich selbst und ihre Begegnung. Ein Wohnzimmer enthielt eine elegante Sitzgruppe, ein Sideboard, eine sinnliche Grafik, aber nicht mehr, ein Raum der Unterwerfung den großen Tisch mit entgegenkommender Polsterung oder das klassische Andreaskreuz, niemals aber beides zugleich, ein Schlafgemach nur Doppelbett oder Futon sowie Wand- und Deckenspiegel. Die Bäderwelten hingegen enthielten zusätzliche Einladungen zum Verweilen und orientierten sich in ihrer Anordnung, nicht in ihrer Ausgestaltung an orientalischen Konzeptionen.
Claudia
Agnes' Haus der sündigen Engel
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Claudia
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