Claudia wird untersucht

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Claudia wird untersucht

Claudia wird untersucht

Anita Isiris

Allmählich wurde ich nervös. Vielleicht hätte ich meine Claudia doch früher einweihen sollen. Jetzt stand sie ahnungslos in unserer kleinen Küche an der Gebhardstrasse und bereitete das Abendessen vor: Reis, Schnitzel und Gemüse. Wir erwarteten einen Gast: Marco, meinen besten Freund, Medizinstudent im ersten klinischen Semester. Mein Blick streifte Claudia: Die locker sitzende weisse Hose, die ihr bis ans Knie reichte, stand ihr gut – ebenso die türkisfarbene Bluse, deren zwei oberste Knöpfe offen waren. Ihre gepflegten Füsse steckten in dunkelblauen Sandalen, und sie mass gerade mit einer Tasse die Reismenge ab. Da klingelte es, und Marco stand vor der Tür. Mich begrüsste er kollegial-freundschaftlich, Claudia charmant, mit den obligaten zwei Küsschen, eines pro Wange. Mir entging nicht, dass er sie ein wenig an sich drückte. Mein Schätzchen liess es sich gefallen. Marco war schon längst ein gemeinsamer Freund.

Er folgte Claudia in die Küche und schaute ihr beim Kochen zu. Hier sei erwähnt, dass unser kleines Wohnzimmer nicht gerade einladend war – eine Couch fand keinen Platz, man konnte sich einfach an den Tisch setzen. Damit hatte es sich. Das kleine Schlafzimmer war wesentlich gemütlicher – aber dazu später.

Dann verliess Marco die Küche und wir stellten uns, ausserhalb Claudias Hörweite, ans Wohnzimmerfenster. «Hast Du sie gefragt?», erkundigte sich Marco gespannt. «Nein, nicht», antwortete ich prompt. «Meinst Du, sie macht mit?». In meinem Bauch kribbelte Eifersucht. Seit fünf Jahren war ich mit der hübschen Krankengymnastin zusammen, wir hatten gemeinsam Schottland bereist, und sie liess sich von mir beraten, etwa zur Frage, ob ihr BH und ihr Slip auftrugen, wenn sie in einen engen Gymnastikdress schlüpfte. Claudia liebte es über alles, sich zu Musik zu bewegen und sich auf der Bühne, gemeinsam mit den Kolleginnen der Damenriege, zu zeigen. Nach den Auftritten gab sie sich immer künstlich-empört («wie die mich wieder angeschaut haben, diese Typen in der vordersten Reihe») – aber ich wusste, dass sie es genoss. Ich wusste, dass Claudia es genoss, Projektionsfläche für Männerphantasien aller Art zu sein.

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