Daisys Daisy

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Daisys Daisy

Daisys Daisy

Anita Isiris

Daisy war fünf Jahre zuvor, als die Sanierung der Oreon-Hallen in vollem Gange war, eine auszubildende Malerin gewesen. Als junge Frau in einer Männerdomäne hatte Daisy schon damals geahnt, wie mit ihr umgesprungen würde, obwohl #metoo bereits in aller Munde war. Aber wenn die Männer die Sprüche unterdrückten, waren da noch immer die hungrigen Blicke, die Blicke von Wölfen, aber Daisy setzte sich täglich über das Begehrtwerden hinweg. Mit stoischer Ruhe zog sie sich hinter einer Trennwand um und trat dann in einem geschlechtslosen Malerinnen-Arbeitsanzug vor und unter die Männer, mit denen sie zusammenarbeitete.
Terpentin. Es war Daisys dritte Arbeitswoche. Sie hatte bereits gelernt, wie man große Malergerüste hochzog, rückenschonend und doch kraftvoll, und Daisy reinigte auch Pinsel und große Farbrollen. „Vorbereitung ist in unserem Beruf alles“, hatte sie sich immer wieder sagen lassen, und am Anfang war Daisy enttäuscht gewesen. Da war noch gar nichts mit Farbrolle ansetzen, Wände in blendendes Weiß tauchen und am Abend das glückliche Gefühl verspüren, etwas geleistet zu haben.
„Vorbereiten“ hieß, die Halle zu räumen, Zeitungen und Markier-Kleber auszulegen, große Farbrollen auszupacken. Aber schon nach kurzer Zeit kam die Routine, und Daisy lernte schnell. Dann war da der Tag mit der Wette gewesen. Daisy war von den Malergesellen nach dem Gewicht eines Farbeimers gefragt worden. „Errätst Du das Gewicht, darfst Du zwei Stunden früher nach Hause gehen. Liegst Du daneben, kommst Du morgen Mittwoch nackt zur Arbeit. Du darfst Dich mit einer Malerinnenschürze bedecken, klar, wir sind ja nicht so. Aber untendrunter wirst Du nichts tragen dürfen, süße Nutte, Du.“
Daisy traute ihren Ohren kaum. Was da von ihr erwartet wurde, war dermaßen sexistisch, dass sogar sie, die offene, herzliche Daisy, überfordert war. „Süße Nutte“,hatten sie gesagt. Wollten alle diese neun Männer sie tatsächlich nackt sehen? Und warum gerade sie? Hatten die keine Frauen zuhause? Und es gab doch massenhaft einschlägige Videos? Was war denn schon dran an zwei harmlosen Titten und einem Schamhaardreieck? Daisy konnte als Frau nicht ins Innere dieser Männer vordringen. Denen ging es nicht um irgendwelche Titten und um irgendein Schamhaardreieck. Sie wollten Daisy. Sie wollten die Azubi, und zwar so, wie eine Malergöttin sie geschaffen hatte.

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La Neuveville

schreibt anitaisiris

Lieber Bernard! Deine positiv gestimmten Zeilen freuen mich sehr. Mittlerweile gibt es sogar KI Tools, die mein Schreiben analysieren. Da steht auch irgendwie, dass ich all die Hügelchen und Täler und was der Naturereignisse mehr sind... anscheinend knisternd verpacke. Mein Anliegen an Dich: Welche Story mit La Neuveville meinst Du denn? Ich weiss bei über 450 Stories wirklich nicht mehr, wie der Titel lautet. Sogar Paul McCartney geht das so... ab einem gewissen Quantum verliert man die Übersicht. Aber ich danke Dir für Deine Treue, Du Lieber. Erreichbar bin ich unter anitaisiris@gmail.com Herzliche Grüsse Anita Isiris

Above head and shoulders

schreibt Bernard

Sprachlich kommt zuerst Anita Isiris, dann lange nichts, dann alle andern. Schon seit langem. Niemand ist kreativer, wenn es um Worte für Schenkel, Hügel, Täler, Erhebungen aller Art und die entsprechenden Vorgänge geht... Verloren gegangen ist, auch schon seit langem, das wärmende, heitere Knistern, etwa wie seinerzeit im Kino von La Neuveville. Hier scheint es wieder mal etwas auf, aber von Ferne. Geht's auch wieder von nah, du unerreichte Virtuosin? Verliebt sich wieder mal jemand, zum Beispiel? Mich würd's umhauen, du Stern am Schreibhimmel.

Gedichte auf den Leib geschrieben