Sie wurden freudig erwartet und genossen das teure Ambiente, die intime Atmosphäre, die Ruhe nach der Hektik des Tages und die Möglichkeit sich zu entspannen, aber auch das zu sagen, was sie in der strengen Hierarchie ihrer Firma sonst nicht loswerden konnten. Für ihn, den Lehrling, den Berufseinsteiger, war an diesem Abend alles neu und spannend, die Bar, die Geishas, die Gespräche, die derben Scherze, das dröhnende Gelächter, der ungewohnte Reiswein. Er war zu unbedeutend, als dass man sich um ihn gekümmert hätte und so geschah es, dass ihn an diesem denkwürdigen Abend zum ersten Mal in seinem Leben die Liebe überkam, und zwar mit großer Heftigkeit.
Neben den Geishas, es waren wohl drei oder vier, gab es noch ein blutjunges Mädchen, eine Gehilfin, ein Lehrmädchen, eine Maiko. Sie war hübsch und sanft und dennoch keck. Sie hielt sich weitgehend im Hintergrund oder in einem Nebenraum auf, schaute nur ab und zu vorbei, um etwas zu bringen oder abzuräumen. Aber die wenigen Augenblicke des Zusammenseins genügten, dass er sich in sie verguckte. Es war eine kurze, heftige Liebe, ein Strohfeuer, das nur ein paar Stunden lodern durfte und noch am selben Abend brutal ausgelöscht wurde. Er himmelte die Kleine an, obwohl er kaum die Augen zu heben wagte. Er beobachtete sie nur verschämt und sein Puls raste, wenn sie auftauchte. Erst allmählich wagte er es, sie schüchtern, von unten herauf anzusehen, in ihr weißes Gesicht und auf die rote, halbkreisförmig angemalte Unterlippe zu starren. Als sie ihn einmal kurz mit dem sehr weiten Ärmel ihres tiefblauen Kimonos streifte, drohte er vor Glück zu platzen. Ob sie seine Verliebtheit bemerkte und sich auch für ihn interessierte oder ihm nur professionell schöne Augen machte, weil er der einzige junge unter all den alten und ältlichen Männern war, wusste er damals nicht und hat es auch nie erfahren.
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