Rein zufällig hatte sie einmal eine CD mit Debussy bekommen und der musste den Abend retten. Dem Alten war es recht, ihm wäre alles recht gewesen, den von Musik verstand er nicht viel, aber Musik war an diesem Abend ein Teil der Performance und daher sehr wichtig. Nachdem die ersten Takte erklangen, trat die zweite Hauptperson in Erscheinung: eine Geisha, die sich bisher dezent im Hintergrund aufgehalten hatte. Diese Geisha wandelte nun langsam, mit den typischen kleinen Trippelschritten, die ihre Getas, die hölzernen Sandalen, zuließen, durch das Blumenmeer. Sie trippelte zu der Fensterfront, hin zu der großen, weißen Vase voller, wie könnte es anders sein, weißer Orchideen. Dort, wo etwas Platz für eine Tanzfläche gelassen worden war, blieb sie stehen und verbeugte sich vor dem Hausherrn. Die Geisha war klein und auf traditionelle Weise geschminkt und gekleidet. Ihr zartblauer Kimono mit eingewebten, hellen Kirschzweigen, zeigte ein dem Frühjahr angepasstes Muster. Der kunstvoll auf dem Rücken geknotete Gürtel, der Obi, war weiß und mit hellroten Ornamenten verziert. An den Füßen trug sie knappe, weiße Socken, die zuließen, dass bei jedem Schritt mit den Holzsandalen ein wenig Haut zu sehen war, für Kenner ein verstecktes erotisches Signal. Das Gesicht der Geisha war perfekt geschminkt, natürlich auch in Weiß, wie es sich gehörte, mit schwarzen Augenlidern und ausdrucksstarken Augenbrauen, die ins Rötliche tendierten und die, zusammen mit dem kirschroten, herzförmigen Mund das einzig Farbige in dem Gesicht darstellten. Die üppigen, pechschwarzen Haare waren kunstvoll aufgesteckt und wurden von einem großen, schillernden Kamm aus Perlmutt in Form gehalten. Im Nacken der Frau waren zwei helle Linien, die als stilisierte Schamlippen gedeutet werden.
Es war eine Geisha, wie aus dem Bilderbuch, die gleich nach der Begrüßung und nachdem sie ihre Sandalen abgelegt hatte, ihren Tanz begann.
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.