Daniel und die Gräfin

79 5-9 Minuten 0 Kommentare
Daniel und die Gräfin

Daniel und die Gräfin

Sven Solge

Als Daniel in dem Universitätsklinikum eintraf und er sich auf der Station 1a bei den Schwestern gemeldet hatte, ahnte er noch nicht wie langwierig es werden sollte.
Er gab seine Unterlagen ab und die Schwester geleitete ihn zum Wartezimmer, weil für ihn noch kein Zimmer und kein Bett frei war.
„Sie müssen sich noch etwas gedulden, aber hier können sie sich etwas zu trinken nehmen!“ Die Schwester deutete auf ein Sideboard, wo eine Thermoskanne mit Kaffee stand. Ebenso eine Flasche Wasser, Teebeutel sowie Zucker bzw. Süßstoff.
Dann ließ ihn die Schwester allein.
Daniel hatte den Termin eigentlich erst für den nächsten Tag, aber am Vortag rief das Krankenhaus an: `Ob er schon einen Tag früher kommen könne?´
Er sagte sofort zu, da eine Katheter Untersuchung ja nicht so aufwändig wäre und er froh war es hinter sich zu haben!
Pünktlich zur angegebenen Zeit, um 9:00 Uhr erreichte er die Station.
Das Wartezimmer war leer, zwei Tische aber nur drei Stühle. Etwas verwundert blickte sich Daniel in dem kahlen Raum um und zapfte sich erst mal einen Kaffee. Zur Untersuchung musste er nicht zwangsläufig nüchtern sein, zumindest stand es so im Begleitschreiben.
Nach zweieinhalb Stunden ging plötzlich die Tür auf und ein Ehepaar betrat den Raum. Wie Daniel aus dem Gespräch heraus hörte, wartete der Mann auf eine Herztransplantation. Auf einmal kam ihm seine eigene Situation so banal vor, dass er seine eigene Unruhe wegen der Wartezeit unterdrückte und der Ehefrau seinen Stuhl anbot.
Als nach weiteren zwei Stunden das Paar abgeholt wurde und Daniel langsam verzweifelte, beschloss er im Schwesternzimmer nachzufragen, wann er endlich drankommen würde? Doch leider war das Schwesternzimmer leer.
Enttäuscht ging er zurück und wartete.
Er hatte schon aufgegeben, dass heute noch etwas passieren würde, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und ein Pfleger reinkam:
„Es geht los Herr Jäger! Kommen sie mit, sie müssen sich eben umziehen!“
Total überrascht folgte er dem Pfleger, der ihn in eine Kammer führte, in der ein Ultraschallgerät stand und ihn aufforderte sich auszuziehen. Er legte ihm ein OP-Hemd hin und fragte ihn, was er an Wertsachen dabei hätte?
„Tun sie ihre Wertsachen hier rein!“ Dabei überreichte er ihm eine Plastiktüte auf der schon vorgedruckt war, was er eventuell an Wertsachen mithatte, er braucht nur noch ankreuzen.
„Das kommt in den Safe und ihre Sachen kommen ins Schwesternzimmer. Ihr Bett kommt gleich.“
Wenig später stand er nur noch mit dem OP-Hemd bekleidet in der Tür der Kammer, als das Bett herangeschoben wurde.
Daniel war von diesem Ablauf wie betäubt und ließ alles klaglos über sich ergehen.
Im Vorbereitungsraum zum OP wurde die Leistengegend und das Handgelenk erst rasiert und dann desinfiziert, weil dort wahlweise der Katheter eingeführt werden sollte. Nach einer gefühlt weiteren Stunde wurde er in den Operationsraum geschoben.
Hier sah er sie zum ersten Mal!
Daniel war immer noch überfordert, mit dem was mit ihm hier geschah.
Sein rechter Arm wurde festgeschnallt, dabei erklärte eine Schwester beiläufig, dass es nötig sei, damit er den Arm möglichst nicht bewegen könne, solange der Katheter in der Vene stecken würde. Ein Schutzschirm, der wegen der Röntgenstrahlung erforderlich war, wurde vor sein Gesicht geschoben, als sich plötzlich eine Frau im grünen OP – Kittel über ihn beugte und beruhigend auf ihn einsprach.
Dieses aparte Antlitz würde er wohl sein ganzes Leben nicht wieder vergessen!  Obwohl die OP-Maske ihren Mund und die Spitze ihrer Nase verdeckte, drang der Blick ihrer dunkelbraunen Augen und ihre angenehme Stimme bis in sein Herz.
„Hallo Herr Jäger, sie bekommen gleich eine Beruhigungsspritze! Danach werde ich ihr Handgelenk örtlich betäuben und mit einem kleinen Schnitt ihre Vene öffnen und den Katheter einführen! Sie werden davon nichts merken!“ Dabei strich sie ihm über den Arm.
„Ich bin tiefenentspannt!“, sagte Daniel und grinste die Ärztin an, die sich gerade abwänden wollte.
Die wandte sich noch mal zu ihm um, zog ihre Maske bis unters Kinn und zeigte ihm ein zuckersüßes Lächeln: „Ihr Puls auf dem Monitor, sagt mir aber etwas Anderes!“ Dabei legte sie erneut ihre Hand auf seinen Arm und streichelte sanft mit ihrem Daumen über seine Haut.
Daniels Blick blieb auf ihrem Namensschild hängen:

Maren von Eisenfels
Ärztin

„Maren!“, sagte er leise, weil die Wirkung der Beruhigungsspritze einsetzte.
Auch wenn es sehr leise über seine Lippen kam, so hörte es Maren von Eisenfels doch und es überraschte sie, dass auch ihr Herz etwas schneller schlug!
Sie musste sich auf ihre Arbeit konzentrieren und hatte diesen sinnlichen Moment schnell vergessen.
Unter Anleitung des Oberarztes öffnete sie die Vene und schob den Katheter langsam bis zum Herzen vor. Schon auf dem Monitor des begleitenden Röntgenbildes konnte sie die Engstelle der rechten Herzkranzgefäße sehen.
Daniel hörte die Gespräche zwischen dem Oberarzt und der behandelnden Ärztin, verstand den Sinn aber nicht?
Erst, als nach einer Weile der Oberarzt ihm erklärte, dass sie den Stent nicht setzen konnten, weil der Stamm der rechten Herzkranzgefäße zu dicht sei und sie sich einen anderen Weg suchen müssten, wurde ihm bewusst, dass es für heute genug war.

-*-

Der Zimmernachbar, mit dem Daniel das Zimmer teilte, hieß Morena und er entschuldigte sich sofort, dass es eigentlich ein Mädchenname wäre, da seine Eltern lieber ein Mädchen gehabt hätten. Bei drei älteren Brüdern beließen sie es bei dem Namen!
Daniel hatte am Handgelenk eine Druckmanschette, wo die Ärztin den Katheter eingeführt hatte, damit es nicht nachblutete.
Nach einer unruhigen Nacht, Morena hatte die ganze Nacht geschnarcht, war Daniel froh, als die Schwestern das Frühstück brachten.
Gegen 10 Uhr öffnete sich die Tür und der Oberarzt mit Gefolge betraten das Zimmer. Hinter dem Oberarzt kam die Ärztin an sein Bett und folgte dem Gespräch, das der Oberarzt mit Daniel führte. Dabei ruhten ihre braunen Augen auf seinem Gesicht und Daniel verstand nur die Hälfte von dem, was der Arzt sagte, als er in ihrem Blick versank.
Er nahm alles in sich auf, ihre braunen Augen, die so nachdenklich auf ihm ruhten. Der schmallippige Mund, der so verheißungsvoll glänzte. Ihre dunklen lockigen Haare, die sich an ihren kleinen Ohren leicht kräuselten und ihre schlanke Figur, die in dem taillierten, weißen Arztkittel perfekt zur Geltung kam.
„Es tut uns leid, dass es nicht auf Anhieb funktioniert hat, aber der Stamm der rechten Herzkranzgefäße ist so dicht, dass wir mit dem Stent nicht vorbeikamen!“, hörte Daniel den Oberarzt sagen. Er zwang sich den Arzt anzuschauen und vermied es erneut zur Ärztin zu sehen, auch wenn sein Herz raste und ihn eine innere Stimme immer wieder dazu aufforderte.
„Wir wollen im Gespräch mit den anderen Kollegen herausfinden, ob es sinnvoll ist, erst die Aortenklappe einzusetzen und dann die Stents, oder eventuell umgekehrt? Wir hoffen, dass es sie nicht zu sehr belastet, wobei ich da sehr zuversichtlich bin, da sie scheinbar den ersten Versuch ganz locker über sich ergehen ließen!“
Daniel nickte zu den Ausführungen des Oberarztes, weil in seinem Kopf ein Gefühlschaos herrschte.
Der Oberarzt wandte sich an Morena und besprach mit ihm seinen Krankenverlauf, während die Ärztin etwas zögerlich an seinem Bett stand und dem Gespräch folgte. Gleichzeitig hatte sie sich mit einer Hand auf dem Metallrohr von Daniels Bett abgestützt.
Daniel betrachtete ihre feingliedrige Hand und unwillkürlich spürte er, wie diese Hand wieder über seinen Oberarm streichelte, wie sie es zu seiner Beruhigung vor dem Eingriff gemacht hatte.
Mit einem leisen Seufzer lehnte er sich zurück und fasste an die Stelle an seinem Oberarm, wo die Ärztin ihn berührt hatte.
Die Ärztin musste ein feines Gehör haben, denn sie schien seinen sehr leisen Seufzer gehört zu haben. Sie schaute ihn an und lächelte, als wüsste sie, warum er geseufzt hatte.
Doch dann wandte sie sich ab, weil der Oberarzt sich anschickte das Zimmer zu verlassen und folgte ihm.
Etwa eine Stunde später, Morena war gerade zum Ultraschall abgeholt worden, klopfte es kurz und Frau von Eisenfels kam an sein Bett.
„Herr Jäger, ich möchte mich noch mal entschuldigen dafür, dass es nicht geklappt hat mit dem Stent! Ich hoffe sie sind mir nicht böse“
Daniel hatte sich in seinem Bett aufgerichtet und schaute die Ärztin überrascht an und als sie jetzt an der Seite seines Bettes stehen blieb, sagte er impulsiv: „Maren, ich könnte ihnen nie böse sein, dazu habe ich sie viel zu gerne!“
Ihre braunen Augen weiteten sich, aber das war auch die einzige Reaktion die Daniel bemerkte.
„Haben sie Schmerzen am Handgelenk? Würden sie mir mal die Hand drücken, ich möchte nur sehen, ob alles in Ordnung ist?“
Daniel reichte ihr die Hand und umschloss ihre Finger und drückte leicht zu. Scheinbar doch etwas zu fest, denn sie sagte sofort:“ Okay, scheint ja alles in Ordnung zu sein!“
Nur widerwillig ließ Daniel ihre Hand los, zu gerne hätte er sie an seine Lippen gezogen und geküsst, doch das wäre dann mit Sicherheit falsch verstanden worden.
„Wir haben heute noch das Gespräch mit den Fachkollegen, danach werden wir einen neuen Termin machen! Bis dahin müssen sie sich leider etwas gedulden, da der Terminplan sehr voll ist.“

-*-

In der Nacht träumte Daniel von seiner Maren: `Er hatte ihre Hand geküsst, doch das war Maren zu wenig gewesen, denn sie beugte sich vor und küsste ihn zärtlich auf den Mund! Dabei flüsterte sie: „Daniel ich mag dich doch auch!“´
Verwirrt wachte Daniel auf und dachte über den Traum nach: `Hatte er sich verliebt?´
Bei der Visite am nächsten Tag war Maren nicht dabei und der Oberarzt berichtete von der Besprechung und einem Plan, wie sie bei ihm vorgehen würden! Verstanden hatte Daniel davon nur die Hälfte.
Am Nachmittag, Morena hatte gerade das Zimmer verlassen, kam Maren zu ihm und berichtete ausgiebig von dem Gespräch mit den Kollegen. Dabei setzte sie sich zu ihm auf das Bett und berührte unabsichtlich seine Hand. Auch wenn dieser Kontakt nur kurz war, so fühlte es sich für Daniel wie ein elektrischer Schlag an.
Maren hatte ihre Hand sofort zurückgezogen, doch Daniel nahm seinen ganzen Mut zusammen und verhakte seinen kleinen Finger mit ihrem.
Auch wenn sie im ersten Moment etwas zuckte, so ließ sie es sich doch gefallen. Ja, sie umklammerte sogar seinen Finger etwas fester.
Beide hingen ihren Gefühlen nach, sagten aber nichts.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 7350

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben