Das Duell

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Das Duell

Das Duell

Jürgen Lill

Es mag den Anschein gehabt haben, dass meine Freundin und ich uns auseinandergelebt hatten. Aber das war eigentlich nicht die richtige Interpretation der Situation. Wir haben ganz einfach irgendwann festgestellt, dass wir keine Gemeinsamkeiten, keine gemeinsamen Interessen hatten, dass es nichts gab, worüber wir uns miteinander unterhalten konnten oder wollten und dass es auch nicht wirklich etwas gab, was wir miteinander unternehmen wollten, nicht einmal Sex. Und so hat es mich trotz aller Gefühle, die ich noch für sie hegte und trotz aller Gewohnheit, nicht sonderlich getroffen, als sie mir irgendwann eröffnete, dass sie einen anderen Mann getroffen hatte, mit dem sie all das erleben konnte und der ihr all das gab, was sie bei und mit mir immer vermisst hatte. Meine Trauer über den Verlust hielt sich also ziemlich in Grenzen und wich sehr schnell dem berauschenden Gefühl der Freiheit und der Erkenntnis, dass ich mich nicht länger in meinem Wesen einschränken musste. Ich hatte endlich wieder das Gefühl, frei durchatmen zu können. Ich hatte endlich wieder Zeit für mich und konnte sie auch genießen.
Freitag Abend war ich seit ungefähr einem halben Jahr in einem Fechtkurs; ein Sport, dem meine Freundin beim besten Willen überhaupt nichts hatte abgewinnen können, und das auch noch an einem Tag, an dem sie prinzipiell immer in der Disco war; einem Ort, dem ich auch heute noch nichts abgewinnen kann. Und diesmal nun ging ich endlich einmal zum Fechten, ohne das Gefühl zu haben, mich dadurch befreien zu müssen. Ich war frei und das genoss ich.
Der Fechtkurs bestand aus zwei Gruppen; den Damen und den Herren. Und überheblich, wie die Herren oftmals in sportlichen Disziplinen sind, hatten sich einige von ihnen schon des Öfteren über die Damen lustig gemacht, obwohl ich nicht fand, dass sie erheblich schlechter fochten, als wir, auch wenn zugegebenermaßen einige von ihnen doch lieber beim Nudelholz hätten bleiben sollen, anstatt jemals ein Florett in die Hand zu nehmen.

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