Das Fest der Glockenbrustbäuerinnen

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Das Fest der Glockenbrustbäuerinnen

Das Fest der Glockenbrustbäuerinnen

Anita Isiris

Da sah er es. Peter, Theo und Jerg, seine grössten Quäler, beugten sich vornüber, sichtlich von Übelkeit geplagt. Mehreren andern ging es gleich. Sebastian realisierte augenblicklich, dass etwas nicht stimmte und schrie seine Schankmägde an. Dann beugte auch er sich vornüber und kotzte, wie weiland Kunibert, über eine der Tischplatten. Für einen kurzen, allerdings sehr kurzen Moment zuckte Melchior wegen des schlechten Gewissens zusammen. Was hatte er da ausgelöst?

Eine Stunde später wanden sich sämtliche Baumdorfer Bauern am Boden, im Gesicht grün wie Seife, und wurden von ihren liebevollen, gutmütigen, grossbusigen Frauen umsorgt. Manch eine wollte ihre Titten als Heilmittel einsetzen, mancher Ehemann kotzte seiner geliebten Frau direkt in den Ausschnitt.

Danach wurde es von Tag zu Tag ruhiger in Baumdorf. Die Männer, zuhause gehegt und gepflegt, siechten dahin, verloren zeitweise das Bewusstsein, erwachten im Wahn, die Haut von übelriechenen Gangränen überzogen. Ein letztes Schielen, Verlust der Augenkontrolle, ein letztes Spucken, eine letzte Entleerung – dann schieden sie dahin, die Männer.

«Fahrt zur Hölle», kicherte Melchior, mittlerweile von schlechtem Gewissen vollkommen befreit. In ihm dämmerte das Bewusstsein: Fortan hatte er alle Glockenbrustbäuerinnen für sich. Alleallealle.

Es verstrichen einige Wochen, in denen nicht wenige der Witwen trauerten. Nicht alle Männer in Baumdorf waren Unholde gewesen, die ihre Weiber auf dem Küchentisch, beim Schweinekoben oder unter einem Apfelbaum genagelt hatten. Da waren auch fürsorgliche, treusorgende Familienväter gewesen, die nun, aus unerklärlichen Gründen, mit einem qualvollen letzten Aufstöhnen das Zeitliche gesegnet hatten.

Dann geschah Erstaunliches. Ganz unter sich, ohne männliche Bewacher, Melchior, der Dorftrottel, zählte nicht, liessen die Frauen sich allmählich gehen, wurden fröhlich, trugen ihr Haar offen und liessen auch mal das Oberkleid weg.

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