Birgit kauerte mit angezogenen Beinen in einer Ecke des Holzverlieses und vergrub ihr Gesicht zwischen den Knien. Einst war sie eine sehr hübsche, stolze Frau gewesen, mit schwarzem, gelocktem Haar, lebhaften grünen Augen und einem Mund, dessen Lächeln selbst die Schratenfelsen erweichen konnte, die aus dem Stadtwald emporragten.
Dann hielt der Wagen abrupt an. Der Kutscher sprang vom Bock und öffnete das Schloss von Birgits Holzkiste. Die junge Frau hatte jegliche Gegenwehr aufgegeben und liess sich mit gesenktem Kopf ins Verlies führen. Dieses war unterirdisch angelegt und über einen feuchten Korridor zu erreichen, in dem es von Ratten nur so wimmelte. Ziepend, mit leuchtend roten Augen wirkten sie im Dunkeln wie kleine Trolle, die die ausweglose Situation der hier Gefangenen bestens kannten und sich am Schicksal weideten.
Vier Büttel begleiteten Birgit in die hinterste Zelle, in das so genannte Hebammenverlies. Wie viele Frauen vor Birgit hier wohl gelitten hatten? Es gab nur nackte, kalte Erde, keine Pritsche wie in den anderen Zellen, an deren fest verstrebte Holzstäbe sich Männer klammerten und lüstern in Birgits Zelle äugten. «Zeig Dich, kleine Hure», riefen sie, «zeig uns Dein Fickloch!»
Birgit galt als ehrlos, weil sie allein in ihrem Häuschen lebte und oftmals der Hexerei verdächtigt wurde, weil sie die schwangeren Gemahlinnen für Untersuchungen unsittlich berührte und sich mit Kräutern beschäftigte, deren Zubereitung und Wirkung den Stadtbürgern verschlossen blieb – obwohl sie heimlich liebend gerne von Birgits Geheimwissen profitierten.
Verschämt verkroch sich Birgit in die hinterste Ecke, die aber von einer hoch über ihr hängenden Fackel ausgeleuchtet wurde. Es gehörte zu den Teufeleien des Hebammenverlieses, dass die Frauen vor den so genannten Befragungen Tag und Nacht ausgestellt blieben – vor den hungrigen Augen der anderen Gefängnisinsassen, den zotigen Sprüchen schutzlos ausgeliefert.
Das Hebammen-Verlies
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Das Hebammen-Verlies
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Erotisch ist anders
schreibt HansG