Tränen verschleierten Birgits Augen, und es war ihr nicht mehr möglich, die zahllosen gekritzelten Inschriften zu lesen, die ihre Vorgängerinnen zurückgelassen hatten. Was hatte sie bloss getan? Sie hatte doch nur geholfen, war oft am Scheideweg zwischen Leben und Tod gestanden, hatte sogar den dritten Sohn des Bürgermeisters Ezechiel Pfannenmechel zur Welt gebracht, der verkehrtherum gelegen war.
Und jetzt warteten auf sie Folter und Tod, damit die Männer da draussen Gott gefallen konnten. Da der katholische Gott ihr ja nicht half, dachte sie kurz, war dieser wohl ebenfalls ein Befürworter des Hebammen-Verlieses.
Mit diesem trostlosen Gedanken schlief sie ein.
Tags darauf wurde sie unsanft geweckt. Vor ihr stand ein schwarz gewandeter Mann mit riesigen Händen, einem eingekerbten Gesicht und schlohweissem Haar. Der Scharfrichter!
«Ich tue nur meine Pflicht», brummte er und reichte Birgit eine Schale frischen Wassers. Als sie es durstig in sich hinein leerte, verspürte sie einen bitteren Geschmack. Mit weichen Knien folgte sie dem furchteinflössenden Mann, der wohl schon mehrere hundert Taglöhner, Geldfälscher und falsche Mönche gehängt, geköpft oder gevierteilt hatte.
Die Fragstatt war ein geräumiges Verlies, dicht überstellt mit allen denkbaren Arten von Folterinstrumenten. Streckbett, Daumenschrauben, Seilwinde, eiserne Jungfrau und einem schmalen Pfahl, der bedrohlich aus dem Boden ragte. Die eiserne Jungfrau war besonders gefürchtet. Es handelte sich um eine weibliche Metallstatue, die man öffnen konnte. Das Innere war mit Nägeln besetzt. Nicht auszudenken, wie viele Menschen in der eisernen Jungfrau schon verblutet waren.
Birgit wurde aufgefordert, sich auf eine gepolsterte Pritsche zu legen. Es handelte sich um einen Untersuchungstisch, auf dem Frauen nach Hexenmalen abgesucht wurden. «Zieh Dich aus!», forderte der Scharfrichter Birgit auf.
Das Hebammen-Verlies
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Das Hebammen-Verlies
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Erotisch ist anders
schreibt HansG