Das Manuskript

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Das Manuskript

Das Manuskript

Katja Sax

Ich hatte per Internet einen Webservice  entdeckt, bei dem man nach einem zeitweiligen Wohnungstausch in der ganzen Welt suchen konnte. Dieser Tausch funktionierte so, dass man in Deutschland seine Wohnung für einen bestimmten Zeitraum zur Nutzung anbot und dafür zum Beispiel in Frankreich ein Äquivalent erhielt. Ich hatte mir nach Abschluss meines Studiums einen längeren Aufenthalt in Frankreich vorgenommen, um meine Sprachkenntnisse für den künftigen Job zu verbessern. Ich wollte mich in die französische Kultur einleben und meine Fähigkeiten aufbessern und suchte darum eine Wohnung in Paris. Und tatsächlich klappte es und ich fand jemanden, der mit mir tauschen wollte. Zum vereinbarten Zeitpunkt traf ich den Mann in Paris, der mich in seine Wohnung führte und sich von mir die Schlüssel für meine in Berlin aushändigen ließ. Wir hatten acht Wochen vereinbart und eine Option auf Verlängerung, falls wir beide zufrieden waren. Der Mann war ein verdammt attraktiver Typ, und ich hätte etwas darum gegeben, wenn er noch ein paar Tage geblieben wäre, mich durch die Straßen von Paris geführt und mir ein paar heimliche Wünsche erfüllt hätte. Leider verabschiedete er sich rasch, und ich hatte das Gefühl, dass er erwartet wurde. Nachdem ich mir den Reisestaub unter der Dusche abgespült hatte, gefiel es mir, die Wohnung dieses Mannes splitternackt in vorübergehenden Besitz zu nehmen. Ich fühlte mich frei und unbesorgt, und meine Fantasie begann zu wandern. Ich stellte mir vor, dass er neben mir herging und mich hier und da berührte. Ich lachte, weil ich mich unwillkürlich streichelte und glaubte, es wären seine Hände, die mich berührten. Die Atmosphäre in der Wohnung war elektrisierend, und ich fühlte mich wie in einem Traum. Ich ließ mich von meiner Fantasie treiben und genoss die Freiheit, die ich in dieser neuen Umgebung fand.
An dem kleinen Sekretär blieb ich plötzlich stehen, als wäre ich von einem unsichtbaren Faden angehalten worden. Der Sekretär war offensichtlich vollständig ausgeräumt worden, um mir Platz zu machen, aber auf der Schreibplatte lag eine dicke Mappe, die wie ein Geheimnis vor mir lag. Ich konnte meine Neugier nicht länger bremsen, und so griff ich nach der Mappe, um sie zu öffnen. Zu meiner Überraschung enthielt sie ein Romanmanuskript. Mir wurde ganz anders, als ich auf der dritten Seite las, dass die Geschichte schon zur Sache ging. Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass das Manuskript in deutscher Sprache geschrieben war. Bei genauerer Betrachtung erkannte ich, dass es sich um eine Übersetzung eines hocherotischen Romans von einem französischen Autor handelte. Ich las mich fest in die Geschichte hinein, und mit jeder Seite, die ich umblätterte, fühlte ich mich mehr und mehr in die Welt der Romanheldin hineinversetzt.

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