Die Vierergruppe erwachte am nächsten Morgen erst gegen elf Uhr, und sie hatten noch Zeit für ein gemütliches Frühstück mit frischem Brot, Instant-Kaffee und Lachs aus einer Kühlbox, die sie hinter dem Zelt entdeckt hatten. Den Nachmittag verbrachten sie mit Kartenspielen und mit Rätseln darüber, was sie auf Skyerock Island erwarten würde. Dann, wie mit dem Hirschmann vereinbart, setzten sie exakt um sieben Uhr zur Insel über, mit einem nagelneuen Floss, das sanft vor sich hin schaukelte. Das Erste, was den beiden Frauen auffiel, als sie die Insel erreicht hatten, waren die unheimlichen schwarzen Bäume, die den Waldrand säumten. „Was ist das wohl für eine Art?“ „Als College-Absolventin bist du doch ein wandelndes Lexikon, oder?“ „Da haben doch sogar die Waldtiere Angst davor“ und „vielleicht sind die Bäume Geister Verstorbener?“ „Hats hier auch Wildschweine?“, so lief die Kommunikation unter den vier Freunden, aber da entdeckte Ole den schmalen Pfad, der ins Waldesinnere führte. Sofort waren sie vom Licht abgeschnitten, obwohl es jetzt, gegen acht Uhr, eigentlich noch hell war. Die meist völlig unbeschwerte Silja spannte ihren Körper an, als würde unmittelbar Gefahr drohen. „Entspann dich, Schätzchen“, sagte Sven und zog sie an sich. Silja sagte nichts, hatte aber Gänsehaut an ihren Oberarmen.
Dann hörten es alle vier gleichzeitig. Ein dumpfes, rhythmisches Trommeln aus einiger Entfernung, so, als befänden sie sich im tiefsten Afrika, sofern dort überhaupt noch getrommelt wird. Dann waren da die Schatten. Es schien sich um eine grössere Menschenansammlung zu handeln, und die Menschen schrien etwas im Gleichtakt. U-Lu-Rum, U-Lu-Rum, U-Lu-Rum. Der monotone Gesang wirkte bedrohlich, gleichzeitig aber sehr naturnah. „Ein Naturfest?“, entfuhr es Annina, und sie suchte die Hand von Ole. Dieser entzog sich ihr, was sie überraschte.
Das Ritual
22 13-21 Minuten 0 Kommentare
Das Ritual
Zugriffe gesamt: 7462
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.