Silja sah an sich herab und fühlte sich in ihren Shorts und ihrem gelben T-Shirt mit einem Mal als Aussenseiterin. Also zog sie sich ganz aus und schleuderte ihre Kleider leichtsinnig in den Wald. Der Mann mit dem düsteren Blick, der Ole soeben einen Zug aus seiner Knille angeboten hatte, liess seinen Blick Siljas Körper entlang gleiten, was aber niemand so richtig wahrnahm. Im Mann brodelte es, brodelnde Vögellust, aber er musste sich beherrschen. Diese Nacht gehörte dem Hirschmann, alleine ihm, und alleine der Frau, die er Sein nennen würde.
Ob Silja die Auserwählte war? In diesem Fall käme der Mann mit dem düsteren Blick wenigstens beim Zuschauen auf seine Kosten. Beim Zuschauen, wie der Hirschmann seine gesamte Energie auf eine unschuldige junge Frau übertrug und sich in ihr entlud, im Angesicht seiner gesamten Kommune.
Dann veränderte sich etwas. Der Rhythmus wurde langsamer, die Frauen tanzten jetzt um Silja und Annina herum, so nah, dass sie die beiden beinahe berührten, beinahe, aber nicht ganz. „Gebt uns eure Hände“, sagte eine alte Frau mit silbernem Haar, einem glanzlosen Blick und eingefallenen Wangen. Sie sah aus, als hätte sie schon vielen derartigen Ritualen beigewohnt, womöglich seit Jahrhunderten. Silja, Annina, aber auch zwei junge Frauen aus der Kommune streckten ihre Hände aus. Die beiden jungen Frauen aus der Kommune drehten die Handteller gegen oben, Silja und Annina taten es ihnen gleich. Dann legten zwei weitere Frauen je ein hellblaues mittelgrosses Ei auf die rechten Handflächen der vier Frauen. Diese standen still, als hätte ihnen jemand einen Befehl erteilt, während rundherum die Tänze und Verrenkungen hektischer wurden. Der Hirschmann war nirgends zu sehen.
U-Lu-Rum, U-Lu-Rum, erhob sich ein Geschrei, das mit dem Singsang von vorhin nichts mehr zu tun hatte. „U-Lu-Rum“, stöhnten die Frauen. „U-Lu-Rum“, schrien die Männer, als müssten sie sich mit ihren Stimmen gegenseitig übertreffen.
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