Dauerregen

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Dauerregen

Dauerregen

Leif Larsson

Mit wachsender Erregung betrachtete Anke sich im Spiegel. Wie bei einem Vexierbild sah sie sich abwechselnd nackt und bekleidet. Der unwiderstehliche Reiz, den das Bodypainting von Anfang an auf sie ausgeübt hatte, zog sie vollständig in seinen Bann. Ein wenig voyeuristische, narzisstische und exhibitionistische Veranlagung schien wohl in ihr zu schlummern.

„Raffiniert, mein lieber!“, zollte sie ihrem künstlerisch begabten Gatten Beifall. „So wie der Blazer sitzt könnte man meinen, ich hätte die rechte Hand in der Hosentasche und die Jacke sei ein wenig von der Titte nach hinten gerutscht. Wirklich sehr raffiniert!“

„Jetzt fehlt nur noch ein farbiger Akzent, ein auffallendes Accessoire als Kontrast zum strengen Businessoutfit.“, fand Martin. „ Wie wäre es mit einer flippigen Krawatte?“

„Du bist der Couturier.“

Er skizzierte mit wenigen Strichen eine breite Krawatte, die mit gelöstem Knoten leger unter dem obersten, geöffneten Blusenknopf hing. Als Farbe wählte er ein leuchtendes Rot, das er mit wenigen schmalen, schwarz-goldenen und mit etwas Streuglitzer bestäubten Schrägstreifen strukturierte. Die Wirkung war verblüffend. Anke war hingerissen von der körperhaften Darstellung, von den plastisch wirkenden Farbschattierungen, von dieser geilen Mischung aus künstlicher Perspektive und natürlicher Form. Sie sah sich bekleidet und war sich dennoch ihrer vollkommenen Nacktheit bewusst. Diese ambivalente Körperwahrnehmung vermittelte ihr das Gefühl von unterschwelliger Erotik, die immer stärker in den Vordergrund drängte.

„Mensch Martin, das sieht auf den ersten Blick wirklich so was von echt aus! In dieser Aufmachung würde ich sogar den Gang zum Briefkasten wagen. Kein Mensch würde merken, dass ich keinen Faden am Leib habe.“

„Die Gesichter der Nachbarn würde ich liebend gerne sehen.“, meinte Martin schmunzelnd. „Vor allem, weil dir der Regen die Farbe in null Komma nichts von der Haut spülen würde. Übrigens: wie wäre es, wenn wir eine Kleinigkeit essen?“, erkundigte er sich. „Wir sind nun schon fast vier Stunden zugange. Langsam knurrt mir der Magen.“

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