Die unzüchtige Nora

alter Titel: "Dehnübungen"

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Die unzüchtige Nora

Die unzüchtige Nora

Wulff Triebsch

Der glatzköpfige Pferdetrainer stopfte das nächste Brötchen in sich hinein, nahm ein Schluck aus seiner Kaffeetasse und sprach wieder mit seinem Nachbarn, dem Reeder. Dass seine Irene gerade mit einem Problem rang, schien er gar nicht zu bemerken.
Das Handy des Reeders unterbrach meine Gedanken. Er telefonierte nur kurz, dann wandte er sich an den Pferdetrainer. „Die Bank! Es geht um Eleonora.“ Sie standen auf und verließen unseren Tisch, ohne sich zu verabschieden.
„Eleonora!“, seufzte die Frau neben mir. „Einst das Flaggschiff unserer Flusskreuzfahrten, jetzt ist es nur noch ein einziges Wrack, an dem ein Gutachter kein gutes Haar gelassen hatte“, erklärte sie. „Die beiden hätten ihr Geld besser in die Pferde des Gestüts anlegen sollen.“ Sie stieß einen lauten Seufzer aus. „Die kann man ja gut zureiten und an eine harte Hand gewöhnen. Wie Frauen!“ Ihr ironischer Ton war unüberhörbar. Sie erhob sich und ging mit einer Tasse in der Hand zum Büffet.
Endlich war ich mit Irene allein am Tisch und konnte ihr aus ihrer Verlegenheit helfen, es wenigstens versuchen.
„Ja, ich habe alles mitbekommen. Aber in meinen Augen haben Sie nichts Schändliches getan.“ Ich rückte näher zu ihr. „Das machen doch heutzutage viele.“ Sie schaute mich zum ersten Mal an, ihre Miene hellte sich auf. „Glauben Sie mir, die Geschichte mit Nora habe ich frei erfunden, nur um ihn scharf zu machen“, erklärte sie, lehnte sich auf ihren Stuhl zurück, als sei eine große Last von ihr gewichen. Erst jetzt griff sie nach ihrem Croissant und nahm einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse. Ich war erstaunt, dass ihr die erotische Erzählung von gestern Abend peinlicher erschien als der missglückte Oralsex.
„Ihr sprecht doch hoffentlich nicht von mir!“ Nora war zurückgekehrt. „Wir sprachen von Eleonora, eurem Problemschiff“, redete sich Irene heraus und warf mir einen verstohlenen Blick zu. „Probleme ist noch untertrieben“, meinte Nora.

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