Der Bulle

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Der Bulle

Der Bulle

Jürgen Lill

Aber ich möchte, dass man sich an meinen Namen erinnert. Die Menschen sind so oberflächlich geworden, sie lesen einen Namen und in der nächsten Minute haben sie ihn bereits wieder vergessen. Das durfte ich mir nicht erlauben, denn ich war ein Jäger.
Am Anfang war ich nur ein Verkehrspolizist, ein Straßenräuber und Raubritter. Man hat unglaubliche Macht in dieser Position, man kann jeden beliebigen Auto-, Motorrad-, und selbst Fahrradfahrer und Fußgänger aus dem Verkehr ziehen. Zu schnelles Fahren, nicht angegurtet, kein verkehrstüchtiges Fahrzeug, Behinderung des Straßenverkehrs; die Palette ist unendlich. Heutzutage kann kein Mensch mehr aus dem Haus gehen, ohne gegen irgendwelche Vorschriften oder Gesetze zu verstoßen. In den Augen des Gesetzes ist jeder schuldig, ist jeder ein Täter. Das ist eine praktische Auslegung, um den potenziellen Täter zum eigenen Opfer zu machen. Nur wird das so nie ausgedrückt. Am besten ist es immer dann, wenn man das Opfer dazu bringen kann, seinen Unmut kundzutun. Beamtenbeleidigung bringt richtig dick Kohle!
Später dann wurde es richtig interessant. Ich habe undercover gearbeitet, war in der Szene unterwegs und hab auf Parties Drogenrazzien durchgeführt. Meistens waren es nur Kids mit harmlosem Stoff. Aber wir, meine Kollegen und ich, hatten coole Auftritte. Wir haben die Kids stundenlang verhört, haben Leibesvisitationen durchgeführt, und wenn ich Leibesvisitationen schreibe, dann meine ich auch Leibesvisitationen. Um die Jungs hab ich selbst mich nie gekümmert. Da gab es Kollegen, die darauf standen. Aber bei den Mädels gab es keine Körperöffnung, in der ich nicht nach Stoff gesucht hätte, und zwar mehrmals.
Vergewaltigungen waren fast an der Tagesordnung. Die Jugendlichen waren so eingeschüchtert, dass sie sich niemals zur Wehr setzten.
Einmal gab es eine Anzeige nach einem solchen Verhör. Aber wer glaubt schon einem drogenabhängigen Teenager, wenn seine Aussage gegen die eines Cops steht?

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