Der Bulle

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Der Bulle

Der Bulle

Jürgen Lill

Ich weiß nicht, wo sie sich aufhielten. Für mich war nur wichtig, dass ich bei meinem Verhör nicht gestört wurde.
Der Raum war offensichtlich für solche oder vergleichbare Situationen eingerichtet. In der Mitte stand ein großes französisches Bett mit feiner Satinbettwäsche. Über dem Bett prangte ein gigantischer Spiegel an der Decke. An der linken Wand war eine kleine Kommode, vor der ein hölzerner Stuhl stand, rechts ging es durch eine breite, gläserne Schiebetür in ein luxuriöses Badezimmer und hinter dem Bett war eine Hausbar aus tropischem Holz, die keine Wünsche offenließ. Allein dieser Raum hätte eine Hausdurchsuchung wegen Verdacht auf Zuhälterei und Prostitution gerechtfertigt. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr.
Ich schubste das Mädchen vor mir her in den Raum und schloss die Tür hinter mir ab.
„Was wird denn das?“ fragte sie unbeeindruckt.
„Du hast grad was geraucht“, erwiderte ich so souverän, wie ich es gewohnt war. “Ich muss Dich durchsuchen.“
„Was denn, Sie allein?“ fragte das Mädel. Es wirkte weder verunsichert noch eingeschüchtert, sondern bewegte sich sehr lasziv, während sie das fragte und sah mich mit einem verführerischen Augenaufschlag an.
„Ja, ich allein!“ bestätigte ich und fragte sie: „Wie heißt Du?“
„Ist das wichtig?“ fragte sie zurück.
„Dein Name!“ forderte ich streng. Sie lachte aber nur und meinte: „Sie haben ja meine Tasche. Sehen Sie doch selbst nach.“
Das war wahr. Ich hatte ihr draußen die Handtasche abgenommen. Und da sie mir ihren Namen nicht sagen wollte, sah ich nach. Sylvie Schneider stand in ihrem Ausweis. Ich las den Namen vor und sie erwiderte darauf ironisch: „Bravo, Sie können ja lesen.“
„Setz Dich, Sylvie!“ befahl ich ihr, ohne auf ihre Provokation zu reagieren. Sylvie gehorchte. Sie setzte sich mit gespreizten Beinen rittlings auf den Stuhl und lehnte ihre Unterarme auf die aus dünnen Streben bestehende Lehne.

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