Der Bulle

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Der Bulle

Der Bulle

Jürgen Lill

Mein Name ist Jakob Schmidt. Ich bin ein Bulle und ich werde heute sterben!
Meine Unschuld habe ich schon vor langer Zeit verloren. Es war an dem Tag, an dem all meine Ideale starben.
Als ich angefangen habe, … Nein ich fange andersrum an:
Ich bin Bulle geworden, weil ich einer von den Guten sein wollte. Ich wollte die Menschen beschützen, das Verbrechen und die Verbrecher bekämpfen und immer das Richtige tun. Ich wollte für das, was ich tue, geliebt und geachtet werden. Aber wenn man solche Ziele hat, darf man kein Bulle werden.
Das wusste ich aber damals nicht. Ich war jung und naiv. Und als ich erkannte, was ich tat, fehlte mir die Courage, mich gegen das System zu stellen.
Mein Name ist Jakob Schmidt. Freunde würden mich vielleicht Jack nennen. Doch ich habe keine Freunde. Ich habe nur Kollegen; Bullen, die ebenso korrupt sind, wie ich es geworden bin. Die nennen mich Jack. Doch ich scheiße auf sie.
Entschuldigung. Kann man den letzten Satz vielleicht wieder streichen? Nein? Naja, ist auch egal. Es spielt sowieso keine Rolle mehr. Sie können ruhig wissen, was ich von ihnen denke.
Schon während der Ausbildung wurde ich darauf getrimmt, über den Zivilisten, den ‚normalen’ Menschen zu stehen. Autorität ist das A und O eines Bullen!
Ich habe während all der Jahre bei der Polizei kein einziges Verbrechen aufgeklärt. Ich war noch nicht einmal an einem Fall beteiligt, bei dem die Schuldigen am Ende bestraft und die Opfer entschädigt wurden.
Ich bin keiner von den Guten geworden. Ich bin einer der Schuldigen, einer der Täter, die nie bestraft werden, weil das System sie beschützt. Ich bin selbst ein Teil des Systems, des Systems, das nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheidet, sondern nur noch zwischen Reich und Arm, zwischen Mächtig und Machtlos, zwischen Jäger und Beute.
Mein Name ist … Ja, ich weiß: Ich wiederhole mich.

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