Der Eidechsenkönig

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Der Eidechsenkönig

Der Eidechsenkönig

Andreas

„I am the Lizard King...I can do anything!“
Dunkel, einem kehligen, wohlmeinenden Bariton nicht unähnlich, drang Jim Morrisons Stimme durch den Nebel, der sich zäh und klebrig auf meine Seele gelegt hatte. Ich steckte mir mit zittrigen Fingern eine neue Zigarette an. Langsam ließ ich mich auf den Rücken fallen. Die Matratze war ziemlich durchgelegen und ich meinte die Federn im Rücken zu spüren. Waren die Ereignisse der letzten Nacht eine Spur zu intensiv gewesen? Hatte ich mich zu weit vorgewagt und meine eigenen Grenzen überschritten?
War dies ein hübscher, kleiner, lüsterner Alptraum oder garstige Realität? Ich wußte es nicht und das halbnackte Mädchen in meinem Bett konnte mir auch keine schlüssigen Antworten geben.
Sie wirkte ziemlich jung, 22 vielleicht, wie sie so dalag in ihrem viel zu knappen T-Shirt. Der String verdeckte nicht mal das Nötigste und es gab ja auch nichts zu verbergen. Sie blickte verloren zur Decke, ihr langes Haar floß auf die Laken. Ich verschluckte mich am Rauch, schwor daß ich mir morgen Nikotin Pflaster kaufen würde, drückte die Kippe zornig in den übervollen Aschenbecher. In Gedanken ließ ich die Sache Revue passieren. Es war nicht mal eine knappe Woche her, als ich Alina das erstemal gesehen hatte und schon stellte sie mein Leben auf den Kopf. Und ich ließ es geschehen, weil ich nie etwas anderes tat, sobald eine bemerkenswerte Frau meinen Weg kreuzte. Ich widersetzte mich den Zwängen des Alltags und ließ diese Damen Licht in mein abgedunkeltes Zimmer bringen. Aber ich beginne abzuschweifen, wollte ich doch von Alina erzählen.
Ich traf sie bei einem Rockkonzert der alten Garde. Black Sabbath standen auf der Bühne und intonierten brachiale Abgesänge auf die westliche Zivilisation. Es war ein anrühriges und dennoch bizarres Bild, daß die vier alten Männer auf der Bühne boten. Doch mir gefiel was ich sah und ich schwelgte in genießerischer Nostalgie. Ich schloß die Augen und begann an den Eidechsenkönig zu denken. Der große Verführer in schwarzen, hautengen Lederhosen. Damals als Rock’n’Roll wild und unberechenbar war. Damals als ich zu jung war um richtig dabeisein zu dürfen.
Mein Blick kehrte zur Bühne zurück, „Happiness I cannot feel and love to me is so unreal...“, Ozzy machte den Hexenmeister. Ich bekam Durst, wollte nur ein schnelles Bier kippen und als ich mich mühsam durch die endlose Schlange vor dem Stand gekämpft hatte, stieß ich mit Alina zusammen.
Unsere Pappbecher flogen durch die Luft und ich mußte sie festhalten, damit sie sich nicht auf den niedlichen Hintern setzte. Für den Hauch einer Sekunde sahen wir uns nur an. Dann begann sie zu lachen. Ich war zuerst sauer, war ich doch immer noch durstig dazu nun im Bier getränkten T-Shirt. Doch sie steckte mich an und die verloschen geglaubte Glut meiner Selbstironie fing sofort wieder Feuer. Den Rest des Konzertes verbrachten wir im Foyer wo wir uns alles Wichtige und Wissenswerte voneinander erzählten. Alina schreckte gar nichts. Weder mein zurückweichender Haaransatz, noch die Narben auf meiner Seele. Sie war jung und rein und auch wenn sie es nicht gewesen wäre, es hätte keine Rolle gespielt. In jener Nacht war der Eidechsenkönig in mir und ich sah mit seinen Augen.
Ich brauchte Alina nicht zu fragen ob sie mit zu mir kommen wollte. Sie fasste Entschlüsse stets spontan und sie tat das was ihr Freude machte. Ihre knappen Jeans, die ewig langen, blonden Haare machten ihre Wirkung unwiderstehlich. Hätte sie noch einen Schmollmund ala Bardot besessen, wäre es um meinen Seelenfrieden schlecht bestellt gewesen. So aber hielt ich die Balance und wir begannen die Nacht langsam aber stetig zu durchbrechen. Zuerst saßen wir nur da, uns die Geschichten des jeweiligen Lebens erzählend. Alina war in geordneten Verhältnissen aufgewachsen. Der Vater Banker, die Mutter als Hüterin des großen Hauses in der Vorstadt. Alina war das einzige Kind, elterliche Liebe und Wärme schmerzhaft vermissend. So begann sie hart zu werden, legte sich Hornhaut zu auf der verwundeten Seele. Dann die ersten flüchtigen Liebesbeziehungen. Defloration einer widerspenstigen Achtzehnjährigen durch den gleichaltrigen, sich selbst hassenden Freund. Unerfreuliche Ereignisse und dann der Versuch sich in einer neuen Stadt ein Stück eigener, heiler Welt aufzubauen.
Ich spürte ihren unterschwelligen Schmerz und hielt sie vorsichtig im Arm. Ich wollte nichts kaputt machen durch eine unvorsichtige, aus der Erregung geborenen, Bemerkung. Doch Alina litt nicht. Sie schmiegte sich an mich und ihre Hände redeten in einer eindeutigen Sprache mit mir. Ihre Lippen suchten meinen Hals, saugten sich daran fest und suchten mich unsterblich zu machen. Aber das war der Eidechsenkönig schon und so begann er das Drehbuch in seine eigene Hand zu nehmen.
Meine Hände knöpften Alinas Jeans auf. Ich schaffte es nur sie bis zu den drallen Oberschenkeln herunterzuziehen, dann mußte ich passen. Alina lächelte unverschämt, stand kurz auf und zog sich die Hosen in perfekter Manier ab. Sie stieg aus dem Knäuel und nun stand sie im Shirt und String mitten in meiner Wohnung.
Der Eidechsenkönig fühlte das Pochen seines Schwanzes. Fleisch, das sich energisch gegen schwarzes Leder presste. Sein dichtes, dunkles Haar fiel ihm in verführerischen Locken ins Gesicht. Seine Lippen waren trotzig aufgeworfen. Sein durchtrainierter Körper atmete den Geist der Rebellion und war schon auf der Straße des Exzesses angekommen. Der Eidechsenkönig senkte sein Haupt um Alina einen feuchten, klebrigen Kuß mit seiner gigantischen Zunge zu geben. Sie stöhnte als sie seinen heißen Atem spürte. Seine tantrischen Finger öffneten ihre Muschel, seine kalte Haut rieb sich an ihren schweißnassen, bloßen Brüsten, denn ihr T-Shirt hatte er längst nach oben geschoben.
Der Eidechsenkönig wußte, daß die Zeit auf niemands Seite stand und ihm war klar, daß die Nacht nun doch nicht endlos sei. So beeilte er sich das Werk zu vollenden. Alinas junger Leib erweckte die Jahrtausende alten Instinkte des Echsenmannes. Damals in der Meskalin Wüste Neu Mexikos war es ihm ähnlich ergangen. Alina war jenes Indianermädchen, das ihm einst seine Männlichkeit geschenkt hatte. Wiedergeboren durch den verzerrten Klang elektrischer Gitarren. Die junge Frau glaubte heidnische Gesänge zu hören als ihr der Eidechsenkönig seinen Schwanz von hinten gab.
Als der Rausch abgeklungen war, fühlte ich mich kraftlos. Der Eidechsenkönig fordert stets einen hohen Tribut. Als ich mich von Alina wegschlich, das Bad ist ein besonders intimer Ort, um mir das Gesicht zu waschen fand ich einige neue Falten darin. Meine Augen waren blutunterlaufen und ich spürte eine schwere Müdigkeit. Doch mein Herz war jung und es schlug in einem gleichmäßigen Backbeat. Ich grinste mein Spiegelbild unverhohlen an und der König der Echsen lächelte cool und bedeutsam zurück.

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