Der Fahrstuhl

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Der Fahrstuhl

Der Fahrstuhl

Yupag Chinasky

Es war erstaunlich, wie laut und wütend ein solch kleines Tier bellen konnte. Und es war erstaunlich, wie es seine Zähne fletschte, hochsprang und versuchte in die Waden des rasenden Mannes zu beißen, die jedoch durch die herabhängende Hose ausreichend geschützt waren. Das wütende Tier warf den Mann genauso rasch und unvermittelt auf den nüchternen Boden der Erkenntnis zurück, wie er sich vorher in diese unermessliche Wollust gesteigert hatte. Schlagartig setzte die Erkenntnis ein, dass er drauf und dran gewesen war, eine Frau zu vergewaltigen und dass dies höchst unangenehme Folgen für ihn gehabt hätte. Er ließ von ihr genauso plötzlich ab, wie er sie angefallen hatte, fluchte laut, zog die Hose hoch und trat nach dem Köter, der dies mit einem schrillen Jaulen quittierte. Auch die schreiende Frau, die sich in die Kabinenecke gedrückt hatte, war schlagartig ruhig geworden. Sie schloss keuchend den Morgenmantel, verknotete den Gürtel doppelt und dreifach und nahm das immer noch kläffende Tier auf den Arm. Dann sah sie den Mann an, doch seltsamerweise ohne Wut und Groll, ja fast mit einem gewissen Mitleid und Verständnis für dessen emotionales Ausrasten. Sie zuckte, welche Verspottung, bedauernd mit den Schultern und drückte den Knopf für das Erdgeschoss. Dort angekommen, stieg er aus. Er war so verwirrt, dass er vergaß die Zeitung zu nehmen und schon drauf und dran war aus dem Haus zu gehen. Die Frau war sofort mit dem Hund in ihr Stockwerk gefahren. Der erlittene Schock sowie der Verzicht auf den gewohnten Morgenspaziergang schienen das Tier noch wütender gemacht zu haben, man hörte sein Gebelle im Treppenhaus, bis sich endlich die Wohnungstür hinter den beiden schloss.

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