Der Fotograf, der Bettler und das Pelzchen

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Der Fotograf, der Bettler und das Pelzchen

Der Fotograf, der Bettler und das Pelzchen

Anita Isiris

Cup C, absoluter Durchschnitt. Aber es sind wohl meine Bewegungen, mein grosser Mund, meine Mimik. Und, je nach Präferenz, meinen schlanke Taille. Ich wandte mich dem Mann zu und tat dasselbe wie vorhin beim Bettler. Ich schob den Saum meines Rocks zurück, öffnete meine Schenkel und liess mein Pelzchen blitzen. Ich gönnte dem alten Storch meine gepflegt frisierte Mumu – für etwas frisiere ich sie ja. Er sass da wie gelähmt. Seine Augen traten nahezu aus den Höhlen, und ich knuffte Andry in die Seite, was aber gar nicht mehr notwendig war. Er hatte die Situationskomik schon längst erfasst und trat mit seiner Kamera in Aktion. Später, auf einer Bank im Rosengarten, lachten wir Tränen. Andry hatte es diesmal sogar geschafft, mein Bermudasdreieck zu fotografieren. Ich schämte mich nicht dafür – Andry besitzt sehr viele Intimfotos von mir, alles kein Problem. Wir Frauen sehen ja, mal von Details abgesehen, alle einigermassen ähnlich aus – oder etwa nicht?

Ich räkelte mich auf der sonnenbeschienenen Bank, schob mein Sommerkleid wieder hoch, in wahrhaft unanständiger Weise, und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Es ging kein einziger Mann an uns vorbei, der mich mit seinem Blick nicht gestreift hätte. Die Pärchen beschleunigten, angetrieben von der Frau natürlich, ihren Schritt, einige gingen sogar so weit, empört zu zischeln. Dabei zeigte ich doch nur meine Oberschenkel her. Was ist denn da schon dabei? Bern ist eine ausgesprochen pittoreske Stadt – also wieso nicht noch ein Sahnehäubchen obendrauf setzen?

Dann drückte Andry meine Hand. Das tat er selten, und ich vermutete, dass er eine Idee hatte, kurz bevor die Sonne ein letztes Mal hinter der Nydegg-Kirche aufblitzte. Als wären wir ein langjähriges Paar, verliessen wir im Gleichschritt den Rosengarten, überquerten die Nydegg-Brücke und bogen rechts in die Postgasse ab. Dann zog Andry einen Hausschlüssel aus seiner Tasche.

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Das herzige Pelzchen

schreibt SvenSolge

Was für eine herzerfrischende Geschichte. Da ich Bern etwas kenne, konnte ich den Weg gut verfolgen. Und ganz ehrlich, ich mag "Pelzchen!"

Gedichte auf den Leib geschrieben