“Was machst denn Du hier...?” Brigitte liess sich als erste vernehmen und weitete überrascht ihre Rehaugen. Thomas fiel ihr um den Hals, und es machte den Anschein, dass die beiden sich nie mehr loslassen wollten. Die Lounge war spartanisch eingerichtet; das einzig Luxuriöse war ein kleiner Springbrunnen neben dem Desk, der bunte Fontänen hochschleuderte – als wäre so etwas in dieser naturnahen Gegend notwendig. Vielleicht aber eben doch. Autos waren verboten auf der kleinen Insel, Pferdedung zierte die Strassengräben, und einige wenige Telefonmasten verunstalteten das kleine Dorf. Die Insel war ein Eldorado für Menschen, die sich sammeln und ihre inneren Werte kennenlernen wollten.
“Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit”
hatte Theodor Storm einst gedichtet – und damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Zeitloser ist Poesie kaum je gewesen. Aufgeregt war die Welt ausserhalb der Wattenmeer-Insel schon immer – heutzutage aber verstärkt durch Handyfilme, MySpace, Blogs und dergleichen. Irgendwer peitscht sie zur Raserei, unsere Welt – und wir merken es nicht mal. Da ist es doch beruhigend, dass Udo Lindenberg noch lebt und in einer Sternstunde den Ejakulator erfunden hat. Der Ejakulator ist ein Schlagzeug, das auf einer Drehbühne montiert ist. Je virtuoser man spielt, desto intensiver spritzen Farben aus den Drums, und zwar auf eine sieben Meter hohe Leinwand. Kein Klang der aufgeregten Zeit/Drang noch in diese Einsamkeit. Jaja. Wir leben in einer Welt der verblassenden Genies – aber sie sind noch da, die Lindenbergs, Jaggers, LSD-Hoffmanns und Madonnas dieser sich neigenden Welt. “Ein Wettlauf gegen die Zeit”, hat ebendiese Madonna neulich geäussert. “Ein Wettlauf gegen die Zeit sei unser Leben heute.” Das war schon immer so, heute aber verdichtet. Deutlich verdichtet.
Die sensible Brigitte begriff rasch, dass sich da etwas abgespielt hatte zwischen der Kursleiterin und Thomas.
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