Der Knopf nach oben

Wie ich zum ersten Mal im Fahrstuhl kam

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Théo

Der Neuanfang in meiner neuen Stadt war unerwartet gekommen, beinahe so, als hätte ich zu spät gemerkt, dass ich aus der Bahn aussteigen musste. Ich hatte meine Habseligkeiten gepackt und die Unterhaltung im Zug unterbrochen, eine Unterhaltung, die noch gar nicht beendet gewesen war.
Einzug ins Wohnheim, erste Kurse, neue Gesichter. Vom Empfangsmitarbeiter zum Studenten, aus der Metropole Paris in die deutsche Provinz. Es dauerte einige Wochen, bis ich mich eingewöhnt hatte. Frankreich hing wie eine Doppelbelichtung über allem, was ich sah. Ständig verglich ich die neuen Eindrücke mit den Erinnerungen. Synchronisierte Filme im Kino, Brötchen statt Baguette, D-Mark statt Francs.
Nach der ersten Party jedoch, nachdem ich mich für Sportkurse eingeschrieben und die Einführungsveranstaltungen besucht hatte, ließ ich Frankreich langsam hinter mir. Nur in den Träumen ging ich immer wieder, verabschiedete ich mich von meinen Freunden aus dem Disneyland.
Jede Nacht aufs Neue sah ich die vertrauten Gesichter vor mir und spürte den Verlust noch lange, nachdem ich schweißgebadet aus dem Schlaf geschreckt war. Das Herz wie ein rumpelnder Mühlstein in meiner Brust und die Augen brennend, als wären sie entzündet.
Gunnar war der erste Kommilitone, den ich an mich heranließ. Wir kämpften uns durch die ersten Seminare, schrieben gemeinsam an unseren Hausarbeiten und vertrieben uns die Zeit in den Copyshops, um die Reader zu kopieren.
An eine Sache jedoch musste ich mich nicht lange gewöhnen: nackte Haut. Mit den steigenden Temperaturen schrumpften die T-Shirts auf ein Minimum, wurden Streifen nackter Haut über Gürteln sichtbar. Es war Frühling, die Zeit des Werdens. Noch so viel vor. So viele Gelegenheiten, die ich nutzen musste.
Auf einer dieser Partys traf ich Nina. Nina war in meinem Statistikseminar, wühlte ständig in ihrer Tasche suchte einen Stift, einen Zettel, ihre Unterlagen, Essen und stellte dann Fragen, weil sie nicht aufgepasst hatte.
Und ich hatte viel Zeit damit verbracht, von der Reihe hinter ihr den Ansatz ihres Halses zu studieren, die blonden Haare, die sie hinter das Ohr gestrichen hatte, die leichte Wölbung ihrer Brüste und den geraden Rücken. Erst wenn sie den Kopf drehte, sah man ihre Stupsnase.

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