In diesem Familiengeflecht konnte er beim besten Willen keine Struktur erkennen. Sicher war nur, wie er später erfuhr, dass weder sein Helfer eine Ehefrau, noch seine schöne Schwester einen Mann hatte, dafür aber einen halbwüchsigen Sohn. Er musste an diesem Nachmittag in dem Gewusel auch aufgetaucht sein, aber er war nicht als solcher vorgestellt worden. Später, als sie sich etwas besser kannten, erzählte sie ihm, dass sie jung geheiratet hatte, sehr jung. Sie sei damals noch ziemlich kindlich gewesen und ganz schmal, aber sehr hübsch. Einmal, ein einziges Mal, habe sie für einen Bekannten, einen Fotografen, als Model gedient. Doch als ihr Mann die Bilder gesehen habe, sei er ausgerastet, habe sie geschlagen und alle Bilder verbrannt. Überhaupt sei mit der Liebe schnell Schluss gewesen. Schon kurze Zeit nachdem ihr Sohn geboren worden war, Kaiserschnitt, weil bei ihr alles viel zu eng gewesen sei, hätte ihr Mann sie verlassen, von jetzt auf nachher sei er verschwunden, in die Hauptstadt zu einer anderen, obwohl sie doch selbst noch ganz jung gewesen sei. Er habe nie mehr von sich hören lassen. Auf seine Frage, ob er ihr denn wenigstens Geld schicke, für den Jungen, lachte sie nur bitte. So etwas würden die Männer in diesem Land nie machen. Seitdem lebe sie solo, sola, um es korrekt zu sagen und sie habe keine Lust, sich mit einem einheimischen Mann einzulassen, die seien alle schlecht, wollten nur Sex, ein möglichst bequemes Leben und würden ständig nach anderen chicas schielen. Nein, was Männer anging, hiesige Männer, sei sie bedient, aber das beträfe ihn nicht, mi amor, wie sie ihm versicherte. Aber all das wusste er an diesem heißen Nachmittag noch nicht, als sie zusammensaßen und ein weiteres kühles Bier tranken, Nachschub, den ihr Bruder inzwischen besorgt hatte.
An sich hatte er nur kurz bleiben wollen, vielleicht eine halbe Stunde, um dann das zu tun, weswegen er gekommen war, sich die Stadt anzuschauen.
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