Der Schal

Geschichten vom Anfang der Leidenschaft

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Der Schal

Der Schal

Stayhungry

Das Fehlen des nachhaltigen Gelingens, das Frieden in die Seele bringt und Verlangen, Vereinigung und Erfüllung zu einem einfachen Instrumentarium eines einfachen und deshalb wahren Glücks macht, trieb seine Sehnsüchte und Phantasien in Regionen der Seele, die ihn entsetzten und erkennen ließen, dass er auch dort nicht finden konnte, was ihm fehlte, ohne dass er eine Antwort auf seine drängenden und doch unklar in ihm drängenden Fragen bekommen hätte. Die Lektüre des Marquis de Sade und der Geschichte der O hatte er nach anfänglich erregten Interesse angewidert abgebrochen, denn so sehr es ihn nach einer kraftvollen, wilden Ekstase fernab anerkannter Konventionen verlangte, so wenig konnte er mit Entwürdigung, Erniedrigung und Unterwerfung anfangen. Ratlos blieb er und hoffte auf eine Wegweisung, eine offene Tür, den Eintritt in das Land hinter dem Horizont, in das sinnliche Paradies durch die nächste Liebe, jene, die ihn retten würde.

*

Hart und zerbrechlich wirkte sie gleichermaßen. Wortkarg, schweigsam, verinnerlicht war sie dennoch alles andere als verschlossen. Ein sanftes Interesse, eine süße Traurigkeit lud ihn ein mit jeder Bewegung, jeder Geste, jedem Blick. Es war so einfach, sich ihr zu nähern, sie zu berühren, zu umarmen, sie zärtlich zu liebkosen. Bald liebten sie sich, als wären sie einander seit langem vertraut und er hatte längst vergessen, dass er sie einst, vor langen Ewigkeiten, in einem anderen Leben auf einem anderen Stern, nicht anziehend gefunden hatte. Er war zart mit ihr und dies war einfach, denn er war ihr in allem willkommen, und sein verehrendes Interesse schien sie zu empfinden, wie sein Herz es darbrachte. Stumm war sie, was Worte anbelangte, aber ihre Blicke, ihre Berührungen, ihre Umarmungen und sogar das Schließen ihrer Augen waren ein Chor wohlklingender Stimmen, die in schmeichelnden Kaskaden sangen: Berühre mich, umarme mich, liebe mich!

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