Der Schal

Geschichten vom Anfang der Leidenschaft

23 7-11 Minuten 0 Kommentare
Der Schal

Der Schal

Stayhungry

All dies war nicht aus seinem Bedürfnis erwachsen. Er tat es ihr zu liebe, musste sich Dinge einfallen lassen, die ihrer Sehnsucht entsprachen und ihr Erfüllung bringen würden, die ihr üblicherweise schmerzlich unerreichbar waren. Er selbst sehnte sich danach, sie einfach mit zärtlicher Leidenschaft zu lieben. Sie dabei dann und wann etwas heftiger zu nehmen war nur ein unbeschwerter Weg, sich in der Ekstase treiben zu lassen und ihr lustvoll sein Innerstes zu offenbaren. Die zärtlichen Momente danach, ihre Anschmiegsamkeit, ihr Bedürfnis, seine Haut zu spüren und das Salz seines Schweißes darauf und den Geschmack seines Samens gemischt mit ihrer Feuchte auf seinem Glied und aus ihrer Vagina, all das schien ihm zu beweisen, dass sie gleich ihm eine tiefe Befriedigung erlebte. Seine Begeisterung für exotische Grenzüberschreitung schwand, denn die sinnliche Liebe mit ihr hatte die Leichtigkeit einer Feder, sie war beglückend und einem rastlosen Herz reifende Insel.

Doch manchmal verdunkelte sich ihre Miene unerwartet. Bald würde sie ihm den Schal reichen und es galt, ihr den Weg in den Abgrund zu ebnen, sie zu führen, sie zu halten und sie zurückzuholen, wenn es Zeit war. Wenn sie weinte in ihrer Hilflosigkeit, dann schrie alles in ihm, sie daraus zu erlösen, aber er wusste, er durfte es nicht, denn sie war auf dem Weg des Erlebens, ein Wort von ihr und er hätte alles beendet. So aber musste er fortfahren in seiner abwegigen Fürsorge.

*

Er verschnürte sie, manches Mal zu aufwendigen Paketen, die ihr jede Bewegung verwehrten, manchmal nur in bequeme Stellungen auf dem Bett, die ihm freien Zugang zu ihren Schönheiten gestatteten und sie sich stolz und lustvoll darbieten ließen. Mal konnte sie nur knien verharren, mal legte er sie auf ihr Bett zur entspannten Erwartung. Wieder und wieder drang er dann in sie ein, begattete sie heftig und liebevoll, wo immer er sie öffnen konnte.

Niemals spielten sie Rollen, es gab keine Gewalt und keine Drohung, keine symbolischen, rituellen Handlungen dieser Art. Alles war echt, ernsthaft und in Achtsamkeit dargebracht. Für ihn jedoch wurde es zur Last, denn es verlangte Phantasie, Überlegung, Beherrschung und Überwindung von ihm, sie Dinge tun zu lassen, von denen sie beide nicht wussten, ob sie ihr zum Gefallen oder zur Qual dienen sollten. Denn sie sprach nicht über ihr dunkles Verlangen, so, als würde die Äußerung eines Wunsches seine Erfüllung wertlos machen. Er hatte also keine Wahl.

Er aber wollte umschlungen werden von ihr, gehalten, liebkost. Er fühlte keine Befriedigung aus einer scheinbaren Macht über ein wehrloses Wesen. Irgendwann bat er sie, darauf zu verzichten, denn stets erfüllte ihn Scham angesichts dessen, wie er sie behandelte. Doch sie konnte wahrhaft grausam sein. Nein, war ihre knappe wie eindeutige Antwort.

Du wirst mir niemals wehtun.

Das war keine Frage. Das war eine in zufriedener Gewißheit vorgetragene Feststellung.

Nein, sagte er ernst. Niemals.

Sie war seine Königin und er diente ihr nur.

So, wie sie es wünschte.

Mit einem triumphierenden Lächeln reichte sie ihm den Seidenschal.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 13578

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben