Der Schal

Geschichten vom Anfang der Leidenschaft

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Der Schal

Der Schal

Stayhungry

Sie trug ihr pechschwarzes Haar als Pagenkopf, in exakten Linien geschnitten. Eigentlich war ihm dies ein zu strenger Ausdruck, aber es passte hervorragend zu ihren ernsten, blaugrünen Augen, deren Tiefe sie durch Wimperntusche gekonnt betont hatte. Sie war groß und blaß und sie war mager, einer dieser Hungerhaken die zwar den unzähligen fragwürdigen prominenten Vorbildern in den Frauenzeitschriften glichen, ihm aber gleich diesen einfach nur schwer unterscheidbar und in ihrem knochigen Erscheinungsbild nicht unvermittelt anziehend für Berührungen erschienen. Ein unbefangenes Essverhalten hätte ihr sicherlich eine Figur beschert, die Männer vor ihr auf die Knie sinken ließe.

All das spielte keine Rolle. Ihr Blick hatte dem seinen Stand gehalten, ihn durchdrungen und Schauer über seinen Rücken gejagt. In diesem Moment erkannte er, wie unglaublich schön sie war. Sie war zurückhaltend und zugleich offen, aufmerksam. Sogar über unbefangenem Geplauder und Momenten der Heiterkeit lag stets der Schatten ihres Ernstes, kein depressives Leiden, doch hellwaches, nachdenkliches Interesse, umspielt von einem Hauch von Melancholie. Verborgen in ihr lag eine Sehnsucht und die Luft war schwanger von ihrem unausgesprochenen, unerklärten Verlangen. Bald hatte er verspürt, dass sie von ihm Erlösung erhoffte.

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Er liebte die Erotik der Freien. Oft genug ist die sinnlich-liebende Vereinigung getrübt von Missempfindungen, Ängsten, Vorbehalten, Abneigungen. Sie zu übergehen, bedeutet den Tod der seelischen Begegnung und verbannt den sich verzweifelt wehrenden Lebensdurst nicht selten in die Niederungen des Triebes und dann ist der Ausgang der Geschichte, die üblicherweise eine der Liebe war, ungewiß. So schätzte er es gerade nicht gering, wenn Menschen in all diesen Mühen gemeinsam einen Weg fanden, dem unverträglichen Verlangen eine verträgliche Richtung zu geben, ohne ein Urteil zu sprechen, und dies nicht als quälenden Verlust, als Niederlage zutragen, sondern als wahren Gewinn in ihrem gemeinsamen Leben zu verspüren, all die narnenlosen, normalen Leute, denen man doch an der Nasenspitze ansieht, dass sie es immer wieder schaffen. Ihm selbst war es in mehreren aufrichtigen Lieben nicht gelungen und damit verlor er alles.

Das Fehlen des nachhaltigen Gelingens, das Frieden in die Seele bringt und Verlangen, Vereinigung und Erfüllung zu einem einfachen Instrumentarium eines einfachen und deshalb wahren Glücks macht, trieb seine Sehnsüchte und Phantasien in Regionen der Seele, die ihn entsetzten und erkennen ließen, dass er auch dort nicht finden konnte, was ihm fehlte, ohne dass er eine Antwort auf seine drängenden und doch unklar in ihm drängenden Fragen bekommen hätte. Die Lektüre des Marquis de Sade und der Geschichte der O hatte er nach anfänglich erregten Interesse angewidert abgebrochen, denn so sehr es ihn nach einer kraftvollen, wilden Ekstase fernab anerkannter Konventionen verlangte, so wenig konnte er mit Entwürdigung, Erniedrigung und Unterwerfung anfangen. Ratlos blieb er und hoffte auf eine Wegweisung, eine offene Tür, den Eintritt in das Land hinter dem Horizont, in das sinnliche Paradies durch die nächste Liebe, jene, die ihn retten würde.

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Hart und zerbrechlich wirkte sie gleichermaßen. Wortkarg, schweigsam, verinnerlicht war sie dennoch alles andere als verschlossen. Ein sanftes Interesse, eine süße Traurigkeit lud ihn ein mit jeder Bewegung, jeder Geste, jedem Blick. Es war so einfach, sich ihr zu nähern, sie zu berühren, zu umarmen, sie zärtlich zu liebkosen. Bald liebten sie sich, als wären sie einander seit langem vertraut und er hatte längst vergessen, dass er sie einst, vor langen Ewigkeiten, in einem anderen Leben auf einem anderen Stern, nicht anziehend gefunden hatte. Er war zart mit ihr und dies war einfach, denn er war ihr in allem willkommen, und sein verehrendes Interesse schien sie zu empfinden, wie sein Herz es darbrachte. Stumm war sie, was Worte anbelangte, aber ihre Blicke, ihre Berührungen, ihre Umarmungen und sogar das Schließen ihrer Augen waren ein Chor wohlklingender Stimmen, die in schmeichelnden Kaskaden sangen: Berühre mich, umarme mich, liebe mich!

Er verlor sich in ihr und benommen vom Taumel auf dem weiten Feld unbegrenzter Möglichkeiten galt seine Suche nun bald mehr derjenigen nach Orientierung als der früher üblichen, oft mühsamen nach einvernehmlich begehbaren Wegen. In den Nuancen ihres Empfindens fand er die erhoffte Wegweisung, denn keine seiner Fragen beantwortete sie anders als mit einem Lächeln. Wo sein Griff einmal fester geriet als nötig, reagierte sie unverzüglich lustvoll, sie gab Laute von sich, die er bei ihr sonst nie hörte, sie bog und wand sich in seinem Griff, nicht widerstrebend, sondern hin- und mitgerissen, so als ströme die Kraft aus seinem muskulösen Arm in ihren Nacken, ihr Rückgrat, ihren ganzen Körper und erweckte sie zu einem neuen wilden Leben, das sie erwachen ließ, wie sie es aus ihr selbst nie vermocht hätte.

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Er hatte sie gebunden. Wortlos, mit ernstem Blick hatte sie ihm den Seidenschal gereicht. Sie war nicht angekettet, denn es war ihr verboten, den ihr zugewiesenen Bereich des Raumes zu verlassen. Sie war nicht geknebelt, denn er hatte ihr untersagt zu sprechen und daher war sie stumm. Nur ihre Hände hatte er auf den Rücken gebunden mit einem Seidenschal, den sie ausgesucht hatte, um den unwillkürlichen Gebrauch dieser Gliedmaßen zu verhindern.

Seine Finger fuhren ihre Wirbelsäule entlang hinunter bis zu ihrem Gesäß, eine Bewegung und Berührung, die durch einen geübten Masseur wohlig entspannte Schläfrigkeit hervorrief. Von seiner Hand aber, da er seine Nägel Krallen gleich über ihre Haut zog, wurde sie wach, hellwach. Von diesem erregenden Gefühl an der Schwelle zum Schmerz, der noch keiner war, wollte sie mehr, sie sehnte sich danach, die Grenze zu überschreiten. Fast hätte sie ihn angefleht, doch es war ihr verboten, zusprechen, außer sie könnte es nicht mehr ertragen. Doch nichts fürchtete sie mehr als das Ende und ihr Atem, ihr Stöhnen sprachen eine deutliche unmissverständliche Sprache. Wieder und wieder also zog er seine Finger über ihren Rücken, der sich zunehmend rötete, und jenseits ihrer durch die Fessel überkreuzten Hände fuhren sie weiter nach unten, über ihre kleinen, strammen Pobacken und sein Mittelfinger durchquerte ihre Furche um kreisend auf ihrem Muskel zu verweilen. Ihre Spalte berührte er nicht, denn sie sollte warten.

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Sie hatte ihre Not, doch sie sagte nichts, hielt sich an alle Verbote. Sie hockte vor ihm, ihre Knie weit geöffnet. Sie presste und atmete wieder aus um ihre Verkrampfung zu lösen. Zwischen ihren rasierten geöffneten Lippen sickerten die ersten gelben Tröpfchen, rannen an ihren Popbacken nach unten, tropften von ihrem After zu Boden. Dann bahnte sich eine kräftige gelbe Fontäne ihren Weg in die Freiheit und sie urinierte mit erlösenden Aufatmen ausgiebig vor ihm. Langsam versiegte der Strahl. Dies hatte er erwartet und dieser Anblick hatte ihn immer und bei jeder zeigefreudigen Dame fasziniert. Doch sie schien nicht wirklich erleichtert und nun ihre Mühe galt dem Haupakt ihrer Not. Mit den Schüben ihres Pressens traten nach vereinzelte Tropfen aus ihr, kleine Spritzer und Rinnsale an ihren Schenkeln und Backen. Der Inhalt ihres Unterleibes öffnete langsam ihre Rosenknospe, weitete sie ungeahnt und glitt langsam aus ihr, um schließlich nach unten zu fallen. Sie presste weiter, um sich vollends zu erleichtern und entspannte sich dann, ohne ihre Haltung vor ihm zu verändern. Unter ihrem schwarzen Pony lugte sie mit geneigtem Kopf nach oben, ihr Blick fragend, abwartend.

Er war angewidert und umfassend erregt zugleich. Er zog sie weg vom Ort ihrer Entleerung und drückte sie auf die Knie, schob ihren Oberkörper auf das Bett und kniete sich hinter sie. Schmutzig und nach leicht geöffnet vom natürlichen Vorgang war ihre Rosette bereit für ihn. Er öffnete hastig seinen Gürtel, zog seine Hose nach unten und drang in ihren Anus. Er war eng und doch willig, kein wirkliches Hindernis stellte sich ihm in den Weg. Ihr Wimmern, ihr Stöhnen enthielt Nuancen des Schmerzes, aber ihr Unterleib wich nicht zurück, sondern drängte sich ihm entgegen. Er wollte vorsichtig sein und wusste doch, dass er fordern musste, sie drängen musste über die Grenze.

Sie war weit geöffnet und ließ sich hemmungslos begatten, wilde, ungezügelte Laute preßte sie in die Laken. Er war entsetzt über sich selbst, die Primitivität seines Umgangs mit ihr, sein Bewußtsein war unwirklich benebelt und sein heftiger Puls pochte mitten in seinem Kopf. Er stieß und stieß und spritzte eine gewaltige Menge seines Samens in ihren After. Mit diesem Erguß schwand alle Kraft aus ihm und eine trostlose Bitterkeit ergriff Besitz von ihm. Er zog sein schlaffes, beschmutztes Glied aus ihrem Muskel und eilte ins Bad, um sich zu reinigen. Er verachtete sich selbst und wusste doch, dass ihm dies in dieser ungewöhnlichen Situation gerade nicht zustand. Er konnte sich nicht in Selbstmitleid ergehen, denn sie wartete auf ihn und es war noch nicht beendet.

Als er wieder in das Zimmer trat, erhob sie sich gerade beschwerlich von ihren durch die Heftigkeit der Begattung geschundenen, kraftlosen Knien, bemüht, trotz immer noch gefesselter Hände das Gleichgewicht zu halten. Wie sie so vor ihm stand auf ihren hohen schwarzen Pumps, mit ihren kleinen, mageren Brüsten, nach dieser entwürdigenden Behandlung, beschmutzt von sich selbst, bot sie keinen jämmerlichen Anblick. Ihre Augen waren sanft und ihre Gesichtszüge, trotz noch nicht getrockneter Tränen, entspannt. Sie ruhte in sich selbst und wartete.

Er hob sie hoch, trug sie ins Badezimmer und reinigte und pflegte sie. Mochte sie in einem vordergründigen Anschein eine kindliche Zerbrechlichkeit verkörpern, offenbarte ein Blick in ihre Augen eine tiefe Zufriedenheit, eine Entspannung, die ihr sonst fehlte. Wortlos, lächelnd lehnte sie ihren Kopf an seinen, küsste seinen Hals sanft und ohne jedes Verlangen, zart, zärtlich, liebevoll.

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All dies war nicht aus seinem Bedürfnis erwachsen. Er tat es ihr zu liebe, musste sich Dinge einfallen lassen, die ihrer Sehnsucht entsprachen und ihr Erfüllung bringen würden, die ihr üblicherweise schmerzlich unerreichbar waren. Er selbst sehnte sich danach, sie einfach mit zärtlicher Leidenschaft zu lieben. Sie dabei dann und wann etwas heftiger zu nehmen war nur ein unbeschwerter Weg, sich in der Ekstase treiben zu lassen und ihr lustvoll sein Innerstes zu offenbaren. Die zärtlichen Momente danach, ihre Anschmiegsamkeit, ihr Bedürfnis, seine Haut zu spüren und das Salz seines Schweißes darauf und den Geschmack seines Samens gemischt mit ihrer Feuchte auf seinem Glied und aus ihrer Vagina, all das schien ihm zu beweisen, dass sie gleich ihm eine tiefe Befriedigung erlebte. Seine Begeisterung für exotische Grenzüberschreitung schwand, denn die sinnliche Liebe mit ihr hatte die Leichtigkeit einer Feder, sie war beglückend und einem rastlosen Herz reifende Insel.

Doch manchmal verdunkelte sich ihre Miene unerwartet. Bald würde sie ihm den Schal reichen und es galt, ihr den Weg in den Abgrund zu ebnen, sie zu führen, sie zu halten und sie zurückzuholen, wenn es Zeit war. Wenn sie weinte in ihrer Hilflosigkeit, dann schrie alles in ihm, sie daraus zu erlösen, aber er wusste, er durfte es nicht, denn sie war auf dem Weg des Erlebens, ein Wort von ihr und er hätte alles beendet. So aber musste er fortfahren in seiner abwegigen Fürsorge.

*

Er verschnürte sie, manches Mal zu aufwendigen Paketen, die ihr jede Bewegung verwehrten, manchmal nur in bequeme Stellungen auf dem Bett, die ihm freien Zugang zu ihren Schönheiten gestatteten und sie sich stolz und lustvoll darbieten ließen. Mal konnte sie nur knien verharren, mal legte er sie auf ihr Bett zur entspannten Erwartung. Wieder und wieder drang er dann in sie ein, begattete sie heftig und liebevoll, wo immer er sie öffnen konnte.

Niemals spielten sie Rollen, es gab keine Gewalt und keine Drohung, keine symbolischen, rituellen Handlungen dieser Art. Alles war echt, ernsthaft und in Achtsamkeit dargebracht. Für ihn jedoch wurde es zur Last, denn es verlangte Phantasie, Überlegung, Beherrschung und Überwindung von ihm, sie Dinge tun zu lassen, von denen sie beide nicht wussten, ob sie ihr zum Gefallen oder zur Qual dienen sollten. Denn sie sprach nicht über ihr dunkles Verlangen, so, als würde die Äußerung eines Wunsches seine Erfüllung wertlos machen. Er hatte also keine Wahl.

Er aber wollte umschlungen werden von ihr, gehalten, liebkost. Er fühlte keine Befriedigung aus einer scheinbaren Macht über ein wehrloses Wesen. Irgendwann bat er sie, darauf zu verzichten, denn stets erfüllte ihn Scham angesichts dessen, wie er sie behandelte. Doch sie konnte wahrhaft grausam sein. Nein, war ihre knappe wie eindeutige Antwort.

Du wirst mir niemals wehtun.

Das war keine Frage. Das war eine in zufriedener Gewißheit vorgetragene Feststellung.

Nein, sagte er ernst. Niemals.

Sie war seine Königin und er diente ihr nur.

So, wie sie es wünschte.

Mit einem triumphierenden Lächeln reichte sie ihm den Seidenschal.

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