Der Schneeengel

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Der Schneeengel

Der Schneeengel

Jürgen Lill

Und genau in dem Moment, in dem ich die Überzeugung gewonnen hatte, dass es das beste wäre, das Weite zu suchen, tauchte die alte Dame wieder auf. Sie hatte sich anscheinend wieder beruhigt und ich rechnete damit, dass sie mir jetzt sagen würde, dass ich verschwinden sollte. Aber sie musterte mich nur pikiert und meinte im Ton der Resignation: „Sie haben Ihr Hemd falsch geknöpft.“

Ich blickte an mir nach unten und musste feststellen, dass sie Recht hatte. Bevor ich aber reagieren oder etwas erwidern konnte, forderte sie mich auf: „Kommen Sie mit!“

Ich wollte mir meinen Rucksack auf den Rücken werfen und die Laptoptasche schnappen, aber da sagte sie in versöhnlicherem Tonfall: „Lassen Sie das stehen.“

Sie ging voraus zu ihrer Haustür und schloss auf. Dahinter stand ein fahrbarer, elektrischer Heizkörper, den sie wohl selbst schon bis an die Tür gerollt hatte.

„Den können Sie Sich in die Hütte stellen“, sagte sie.

Sie meinte es anscheinend wirklich ernst. Aber ich glaubte, das Angebot, in ihr Gartenhaus einzuziehen, nicht annehmen zu dürfen und wollte widersprechen.

„Hören Sie …“ begann ich. Aber sie schnitt mir das Wort ab und befahl: „Jetzt machen Sie schon. Ich will die Tür nicht den ganzen Tag offen stehen lassen.“

„Ich kann Ihnen nichts bezahlen“, sagte ich schnell, damit sie mich nicht wieder unterbrechen konnte. Aber sie erwiderte nur: „Meinen Sie, das wüsste ich nicht? Jetzt bringen Sie den Heizkörper rüber.“

„Danke!“ sagte ich beschämt und gehorchte.

Die alte Dame kam mir hinterher und zeigte mir dann noch die Toilette in der Garage, zu der man durch den Nebeneingang gelangte. Dort gab es auch ein kleines Waschbecken, wenn auch leider nur mit kaltem Wasser. In der Hütte gab es Stromanschluss. Ich konnte also sowohl die Heizung, als auch meinen Laptop betreiben. Im Schrank waren ein Wasserkocher, eine Kochplatte, Kaffee und einiges an Konserven.

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