...Der Tod sollte sich gedulden. Mit drei treuen Genossen begab ich mich auf eine gewagte Flucht...
Wir hatten unsere privilegierte Bewegungsfreiheit sinnvoll genutzt und gut vorgesorgt. Ich hatte einen Meißel für die Ketten versteckt und sogar Gift für die Wachhunde organisiert.
Schon während des fraglichen Arbeitstages hatten wir unsere Ketten im rechten Augenblick durchtrennt, damit wir uns nicht nachts durch den Lärm verrieten. Als man uns abends in die Baracke schloss, brauchten wir nur noch abzuwarten bis alle schliefen. Denn längst nicht jedem Kameraden war hier zu trauen. Unser Privileg hatte uns manchen Neider beschert. Schließlich bogen wir zum Schnarchen der Ahnungslosen die Ketten auf, ...und überlisteten den Türriegel.
Wachen gab es während der Nacht kaum. Man verließ sich auf die Festigkeit unserer Ketten, sowie auf den ständigen Hunger der Bluthunde.
Doch es war ein Fehler, die Tierchen so sehr hungern zu lassen. Denn als ich mich während des Abendessens an ihren Zwinger geschlichen hatte, begrüßten sie mich schwanzwedelnd. Gierig verschlangen sie ihre Henkersmahlzeit...
...Im Schein eines dünnen Mondes schlichen wir den Klippen entgegen. Das war der unwahrscheinlichste Fluchtweg. Denn der Fels war nicht nur rasiermesserscharf, er fiel auch an die dreihundert Ellen in die Tiefe schroff ab, bevor er auf einen kleinen Sandstrand traf. Diesen Weg zu gehen, erschien jedem vernünftigen Menschen unmöglich. Außerdem konnten uns die Suchhunde der Greifmannschaft dort nicht folgen. Wir mussten nur vor Morgengrauen den Strand erreichen; ...noch bevor die Fischer mit ihren Booten heraus fuhren. Denn in diesen Booten lag unsere einzige Hoffnung.
Doch man bemerkte unsere Flucht weit früher, als wir es erwartet hatten. Gegen Mitternacht wurde Alarm geschlagen. Ein Mitgefangener hatte wohl entdeckt, dass unsere Pritschen leer waren. Dieser Verrat hätte ihm bestimmt einige Monate Hafterleichterung gebracht, wenn ihn nicht irgend eine ehrliche Haut dafür in die nächste Felsspalte warf. Verräter waren nicht sehr beliebt...
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