Es war ein schöner Sommertag, sodass mir diese Radtour richtig Spaß machte.
Ich machte mir keine große Hoffnung, Inga zu sehen, aber ich wollte diese immer wiederkehrenden Träume unterbrechen.
Nach zwei Stunden gemütlicher Fahrt, erreichte ich den Ortseingang und folgte der Hauptstraße mit einem immer enger werdenden Gefühl in der Brust.
Inga und ihr Mann hatten sich hier ein Haus gebaut, das wusste ich! Vor ein paar Jahren war ich kurz nach meiner Scheidung mit dem Auto mal am Haus vorbeigefahren, nur um zu sehen, wo sie lebte.
Die kleine Nebenstraße, die zum Sportplatz führte, war mit vielen kleinen Einfamilienhäusern bebaut. Nach einer leichten Kurve sah ich schon das helle Haus und verzögerte mein Tempo noch mehr. Langsam näherte ich mich dem Grundstück und sah plötzlich eine Frau, die auf dem Boden kniete und scheinbar Unkraut jätete.
Erschrocken stoppte ich mein Rad und blieb stehen. Ich beobachtete die Frau und war mir nicht sicher, ob es Inga war oder jemand anderes. Mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht damit, so plötzlich mit ihr konfrontiert zu werden, wenn sie es denn überhaupt war?
Ich stieg vom E-Bike, schaltete den Elektromotor aus und schob mein Rad langsam in Richtung des Gartens, behielt dabei die am Boden kniende Frau aber immer im Auge. Je näher ich kam, umso sicherer war ich, dass es Inga war.
Ihre lockigen, leicht rötlichen Haare, auch ihre schmale Figur, alles deutete auf Inga hin so wie ich sie in Erinnerung hatte. Immerhin lagen mehr als zwei Jahrzehnte zwischen unserer letzten Begegnung und heute.
Die knieende Frau hatte mich noch nicht bemerkt, drehte mir immer noch den Rücken zu. Ich hielt auf ihrer Höhe am Zaun an und machte wohl ein leises Geräusch, denn sie blickte kurz auf und jetzt war ich sicher, das war Inga.
Ich sagte leise: „Hallo!“
Inga antwortete auch kurz mit: „Hallo!“, wandte sich dann aber wieder ihrer Arbeit zu, doch dann ruckte ihr Kopf erneut herum und sie schaute mich mit weit aufgerissenen Augen an. Ich sah, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten und ihr Mund tonlos meinen Namen flüsterte. Dann ließ sie die kleine Harke fallen, die sie von ihrer Arbeit im Beet noch in der Hand hielt und schlug ihre behandschuhten Hände vors Gesicht und schluchzte leise auf.
Der Traum
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Der Traum
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