Der Zettel

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Der Zettel

Der Zettel

Yupag Chinasky

Er vertrödelte den Tag bis in den späten Nachmittag hinein. Vertrödeln?. Nein, so negativ durfte er das im Nachhinein nicht sehen. Er hatte den Tag nicht vertrödelt, er hatte ihn gut genutzt. Er hatte viel gesehen, Menschen beobachtet, Museen aufgesucht und die Angebote des Festes vielfach genutzt. Er hatte sich gefreut, hier zu sein, in dieser Stadt, die er mochte und einigermaßen kannte. Er hatte sie auf sich einwirken lassen, hatte aufgenommen, ja geradezu aufgesaugt, was sie ihm bot. Er hatte die Stunden, die im Flug vergangen waren, voll genossen..

Erst spät am Nachmittag war ihm wieder eingefallen, dass er noch kein Zimmer hatte. Erst da hatte er sich auf den Weg gemacht und ein paar Hotels aufgesucht und in ein paar anderen angerufen, aber immer erfolglos. „Wir sind voll belegt; es tut uns leid, aber es ist kein Zimmer mehr frei. Sie Optimist, an solch einem Wochenende, hier ein Zimmer, unmöglich.“ Die Antworten waren alle ähnlich, alle ablehnend, alle deprimierend. Er hatte seine Suche schon längst auf die Ebene ohne Sterne und aus dem Zentrum in die Vororte verlagert, die deutlich weniger attraktiv waren, weg von den gepriesenen, gut bewerteten Hotels, weg von der Schokoladenseite des Tourismus, hin in Richtung Eintönigkeit, Langeweile, hin zur Normalität des Alltags der meisten Bewohner, der auch hier nicht sonderlich berauschend war. Dort, wo er noch etwas zu finden hoffte, war nicht mehr die charmante, die verführerische Stadt, die mit ihren Angeboten die Sinne betören konnte und nicht von ungefähr, jedes Jahr wahre Menschenmassen anlockte. Aber das Betören der Sinne war im Moment gar nicht wichtig. Er wollte weder auf einer Parkbank übernachten, noch gar zurück nach Hause fahren, aber auch nicht kilometerweit bis in eine andere Stadt. Wichtig war jetzt nur ein einfaches Zimmer, egal wo es lag, egal wie die Ausstattung war.

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