Splitternackt waren Nina und Doris im Bergbrunnen am Planschen, als ich des Wegs kam. Schon von weitem hörte ich die beiden kreischen, als wären sie allein auf der kleinen, abgelegenen Alp. Allein waren sie tatsächlich – abgesehen von den zwölf Kühen, acht Schweinen und fünf Ziegen, die sie den Sommer über zu hüten sich verpflichtet hatten. "Hey, da kommt ja unsere Anita!" schrie Doris freudig und spritzte mich nass. "Du musst auch zu uns in den Brunnen kommen!" forderte Nina mich zur Begrüssung auf. Sie war die Sanftere der beiden; ich mochte sie sehr, und wir haben schon etliche längere Reisen gemeinsam unternommen. Kurzum entledigte ich mich meines T-Shirts, streifte Shorts und Slip ab und gesellte mich zu ihnen. Das Wasser war verdammt kalt – und der kleine Brunnen reichte kaum für uns drei – aber die Fröhlichkeit der beiden Kolleginnen steckte mich an. Um überhaupt Platz zu haben, schmiegte ich mich eng an meine zierliche Freundin Nina. Doris kannte ich nicht so gut. Sie wahr die Wohnpartnerin von Nina und angeblich lesbisch. Sie mochte aber auch Männer, wie ich Ninas Schilderungen entnahm. Etwas später legten wir uns zu Dritt ins Gras, nackt wie Gott (oder was auch immer) uns geschaffen hatte. Unter vorbeiziehenden Schäfchenwolken, duftender Alpenflora und mit der Gewissheit, in guter und lustiger Gesellschaft zu sein, erfuhr ich endlich, worauf meine beiden Kolleginnen sich so freuten: Am Abend fand im zehn Kilometer entfernten Alpenstock ein Sennerfest statt. Wenn endlich der Käse gewendet und abgerieben, die Butter abgepackt und die schweren, dunklen Brotlaibe geschnitten waren, trafen sich die Senner der Umgebung im erwähnten Berghaus, um den Spätsommer zu feiern. Nina und Doris, die beiden Hobby-Sennerinnen, waren eingeladen worden vom Silberen Senn, der ihnen eine Stunde zuvor ein ungelenkes Schreiben gebracht hatte.
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