Lange hatte ich mich aufs Sommersemester gefreut. Mein Englisch war revisionsbedürftig, und wo lässt sich so was besser ausbügeln als in der Sprachmetropole aller Sprachmetropolen, in Oxford? Erleichtert nahm ich zur Kenntnis, dass einer meiner liebsten Kommilitonen, Sebastian, meine Sorge um ein besseres Englisch teilte und ebenfalls von Juni bis September in Oxford weilen würde. Steve stammte aus Minnesota und hatte es mir mit seiner offenen und feinfühligen Art angetan. Nein, wir hatten nie etwas gehabt zusammen, wenn ihr wisst, was ich meine. Aber wir verstanden uns prächtig. Sebastian teilte meinen Humor. Das Studentenviertel, in dem wir lebten, war schäbiger als man das von einer Universitätsstadt wie dieser erwarten würde. Die unterste Fensterreihe der Unterkünfte war sehr niedrig angelegt, und mir wäre nicht wohl gewesen in einem solchen Zimmer - der möglichen Spanner wegen. Meine Busenfreundin Andrea, die ebenfalls hier studierte, lebte aber in einem solchen Raum. Ihr schien es nichts auszumachen, im Parterre zu wohnen. Andrea war hübsch. Sie hatte ausdrucksvolle Augen, einen warmen Blick, der einem durch und durch ging, und weiches, dunkles Haar. Ihr rechtes Ohrläppchen wurde stets von einer kleinen weissen Perle geschmückt. Im Grunde war ich gespannt, was Sebastian zu meiner Freundin sagen würde – die beiden kannten sich meines Wissens bis dahin noch nicht. Dann kam dieser sagenhafte 16. Juli, der Abend, der für mich so manches veränderte. Sebastian und ich waren mal wieder in unserem Lieblingspub gewesen, und ich hatte sogar ein Bier getrunken. Bier mag ich im Grunde nicht besonders, aber bei dieser Hitze war es der beste Durstlöscher. Sebastian hatte sich ein Ale bestellt; ihm schien die Menge Bier im grossen Glas nichts auszumachen. Wir quatschten über alles Mögliche und machten uns dann auf den Nachhausweg. Es war schon dunkel als wir unser Quartier erreichten.
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