Desaster

Hochhausromantik - Teil 3

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Desaster

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Yupag Chinasky

Pattaya, wenn man nur den Namen hört, ist doch schon alles klar.“ Die aufgestaute Wut, der Frust und nicht zuletzt die Eifersucht hatten sie zu einem Entschluss getrieben, den sie ihm gleich in den ersten Minuten ihres Zusammenseins vor den Latz knallte. Sie wolle sich von ihm scheiden lassen. Sie habe die Nase voll von ihm, diesem Feigling und Verräter. Er habe sie lang genug gequält und sie wolle auch noch etwas vom Leben haben. Er war konsterniert. Scheidung, daran hatte er nie gedacht, und dass seine Frau die Möglichkeit aufs Tapet brachte, schon gar nicht. Ihre Begründung, ihre Vorwürfe ärgerten ihn. Wann denn, bitte schön, habe er sie gequält und was, um des Himmels willen, habe sie denn an Lebensqualität vermissen müssen? Aber sie war so in Rage, dass sie zu keinem vernünftigen Dialog fähig war. Das Fazit des Zusammentreffens nach seinem Urlaub war, dass er sich so rasch wie möglich nach einer anderen Wohnung umsehen solle. Sie könne nicht mehr mit ihm zusammenleben und sie würde auf keinen Fall, sie betonte dies ausdrücklich, aus diesem Haus ausziehen, das auch ihr Haus sei und in dem zum großen Teil ihr Geld stecke. Sie sei auch schon bei einem Anwalt gewesen und habe sich beraten lassen und der habe sie in ihrer Haltung bestärkt. Na klar, meinte er nun ebenfalls wütend, der wittere ja nur ein Geschäft, aber er wolle sich jetzt nicht mit ihr herumstreiten. Wenn sie die Dinge so sehe, könne er auch nichts machen, dann würde er eben gehen. Er käme auch ganz gut ohne sie zurecht. Daraufhin war sie konsterniert.
Am zweiten Januar, einem Dienstag, ging er in die Firma, nur um zu erfahren, dass die Lage noch schlechter geworden war. Man müsse zwei Dritteln der Belegschaft zum Monatsende kündigen. Er gehörte nicht zu dem glücklichen Drittel, das bleiben konnte, aber weil er mittlerweile schon lang genug in der Firma war, würde er noch bis April sein Gehalt beziehen und sogar eine minimale Abfindung erhalten. Der Personalchef, der ihn gleich zu sich gerufen hatte, riet ihm, sofort zur Arbeitsagentur zu gehen und sich um eine neue Stelle zu kümmern. Er entließ ihn schon nach wenigen Minuten mit der vagen Hoffnung, an ihn zu denken, wenn es wieder bergauf ginge, er habe ja immer gute Arbeit geleistet und die Trennung falle der Firma schwer, aber er müsse verstehen, und so weiter, und so weiter. Als er das Büro verließ, warteten schon die nächsten Kollegen im Vorraum. Er hatte noch den Auftrag, sein Projekt so abzuschließen und zu dokumentieren, dass man es jederzeit wieder aufleben lassen konnte. Weiter habe er nichts mehr in der Firma zu tun und er könne anschließend daheimbleiben. Er erledigte diese letzten Arbeiten sehr sorgfältig, so wie er immer gearbeitet hatte und als er die Unterlagen seinem Chef überreichte, war der auch sehr angetan und bedauerte, dass man sich von ihm trennen müsse, er sei doch ein exzellenter Mitarbeiter und er würde sich auf jeden Fall dafür stark machen, ihn wieder einzustellen, wenn, er sagte nicht „wenn es wieder bergauf geht“ sondern „wenn die Zeiten wieder besser sind, wenn sie wieder normal sind. Wir sind doch eine gute Firma, Herrgott noch mal und es liegt doch nicht an uns, dass alles so daneben läuft. Es sind doch die Banken und die Idioten, die dort in den Führungsetagen sitzen.“ Diese Worte waren ihm ein schwacher Trost, aber immerhin ging er mit einem Gefühl, das ein klein wenig besser war als am Anfang der Woche.

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