Desaster

Hochhausromantik - Teil 3

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Yupag Chinasky

Es waren aber nicht nur die Mädchen, die ihm Probleme bereiteten und ihn in Wut versetzten. Es waren andere Dinge, die ihm regelrecht Angst machten. Schon im Spätsommer, als die Welt noch in Ordnung schien und die glückliche Zeit mit Jessi gerade angefangen hatte, die für ihn zu einer Insel der Seligkeit geworden war, hatten sich dunkle Wolken zusammengebraut, die langsam sein Leben immer mehr verdüsterten. Die gesamte Konjunktur war eingebrochen, die Bankenkrise hielt die Welt in Atem und die Auswirkungen dieser Turbulenzen erfassten auch seine Firma. Deren Geschäftsmodell basierte auf der Entwicklung, Einrichtung und Pflege von EDV-Programmen für kleinere Unternehmen und Banken und naturgemäß traf die Krise eine solche Firma besonders hart und besonders früh. Die Geschäftsleitung führte Anfang November die ersten Maßnahmen durch, um die neue Situation in den Griff zu bekommen. Ein Team bewertete und kategorisierte alle laufenden Projekte. Manche wurden sofort sang- und klanglos aufgegeben, andere wurden auf Eis gelegt und wieder andere sollten, auf Teufel komm raus, durchgezogen werden, um wenigstens noch etwas Geld in die Kasse zu bekommen. Die Einteilungen hatten weitreichende Konsequenzen für die Mitarbeiter. Diejenigen mit Projekten in der ersten Kategorie mussten bangen und hoffen, nicht gleich entlassen zu werden, ansonsten traf für sie dasselbe zu, wie für diejenigen mit Projekten in der zweiten Kategorie. Ihnen wurde Kurzarbeit angeordnet und sie wurden verdonnert, ihren restlichen Urlaub noch im laufenden Jahr zu nehmen. Diejenigen mit Projekten in der dritten Kategorie mussten dagegen alle Urlaubspläne absagen und sich bereit erklären, Überstunden zu machen. Eine schizophrene Situation, wie viele fanden, die einen wurden zum Nichtstun verdonnert, die anderen kamen vor lauter Arbeit um. Anscheinend kam niemand in der Geschäftsleitung auf die naheliegende Idee, den restlichen Kuchen gleichmäßig und gerecht zu verteilen.

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