Die Kunst, ruhig zu bleiben

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Die Kunst, ruhig zu bleiben

Die Kunst, ruhig zu bleiben

Chloé d'Aubigné

Und dann lächelte ich ihm zu, ein wenig zu lange, ein wenig zu offen. Er zögerte, aber ich wusste, dass er mich verstand. Dass ich mich nicht geirrt hatte – sein Interesse an mir überschritt das Interesse an mir als Lehrperson. Er sah mich nun als Frau und als solche wollte er mich auch kennenlernen – wenngleich ich nicht zweifelte, dass seine Moralvorstellungen dies nicht zulassen wollten. Noch nicht.
Ich kann nicht sagen, dass ich auf mein Verhalten stolz bin. Aber ich muss zugeben, dass ich es genossen habe. Ich liebe die Macht, die in einem einzigen Blick liegen kann. Das Spiel mit zufälligen, lediglich streifenden Berührungen, die sich jedoch intensiver anfühlen als alles, was man bislang erlebt hat. Sätze, die mehr versprechen, als sie wirklich sagen.
Ich wusste, dass es nicht schwer werden würde, ihn zu verführen. Männer wie er sehnen sich nach Anerkennung, nach einem Moment, in dem sie nicht nur der Vater eines verwöhnten Kindes, nicht nur Ehemann einer schwierigen Frau sind. Sie sehnen sich nach einem Moment, in welchem sie stark sein können, ihre Meinung sagen dürfen und sich wieder total als Mann fühlen. Als Mann, der seiner Frau eines der schönsten Dinge überhaupt schenkt: einen Orgasmus, bei welchem jene hemmungslos ihre Lust herausschreit.
Vielleicht war es Rache, vielleicht auch nur Neugier. Vielleicht wollte ich einfach wissen, wie es sich anfühlt, für einen Moment in der Familie Albrecht eine andere Rolle als die der Lehrerin einzunehmen. Vielleicht erhoffte ich mir auch nur ein wirklich gutes Abenteuer mit diesem Mann.
Jedenfalls gab ich ihm meine Visitenkarte, auf welche ich auch noch meine private Handynummer schrieb. Falls er sie einmal brauchen würde. Man wisse ja nie.
Jetzt, während Saskia noch immer auf eine Antwort wartet, lächle ich in mich hinein. Ja, ich bin ruhig, weil ich weiß, dass ich in dieser Situation bereits die Kontrolle übernehmen konnte. Dass ich Frau Albrecht nicht ansehen kann, ohne mir vorzustellen, was ich mit ihrem Mann getrieben habe. Was er mit mir gemacht hat. Dass er mich so angefasst hat, wie sie wohl schon lange nicht mehr. Oder vielleicht sogar nie.

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Dezent und reizend

schreibt jostein

Eine solche Geschichte ist einmal etwas ganz Anderes. Zugewandt, die Situationen kennend, freundlich und zum Schmunzeln reizend. Gern mehr davon.

Gedichte auf den Leib geschrieben