Ich ging auf ihn zu, langsam, Schritt für Schritt, und spürte, wie die Luft zwischen uns knisterte. Mit jedem Meter wurde die Spannung greifbarer, als hätten unsere Körper längst beschlossen, was unsere Worte noch zu verbergen versuchten.
„Schöner Tag“, sagte er, als ich neben ihm stehen blieb.
Als er sprach, huschte ein kleines, verlegenes Lächeln über sein Gesicht – ganz anders als der verschlossene Ausdruck, den ich von ihm kannte. Seine Augen, ein kühles Grau, blickten offen und aufmerksam, und in diesem Moment bemerkte ich zum ersten Mal, wie hübsch er eigentlich war.
Er hatte diese stille Präsenz, die erst dann sichtbar wird, wenn niemand sie überstrahlt. Und ich fragte mich, wie oft man ihn wohl schon übersehen hatte.
„Kommt drauf an, wie man ihn verbringt“, antwortete ich und ließ meine Tasche auf die Motorhaube sinken.
Wir redeten erneut kurz über Belangloses. Aber unter jedem Satz lag etwas anderes, ein unausgesprochenes Versprechen. Ich sah, wie seine Hand neben meiner auf dem Blech lag, nur Zentimeter entfernt. Ich hätte sie nehmen können, einfach so. Stattdessen ließ ich meine Finger langsam näher rücken, bis sie sich fast berührten.
„Sie sind immer so ruhig“, sagte er leise. „Auch gestern, als meine Frau…“
Ich unterbrach ihn mit einem Lächeln. „Sie muss nicht wissen, wie ich wirklich bin.“
Er sah mich an, und in seinem Blick lag eine Mischung aus Unsicherheit und Verlangen.
„Und wie sind Sie wirklich?“
Ich beugte mich vor, so nah, dass ich seinen Atem spürte. Jetzt wollte ich aufs Ganze gehen. „Das könnten Sie herausfinden. Wenn Sie wollen.“
Ein Moment Stille. Dann legte er seine Hand auf meine, fest, entschlossen. Ich spürte das Zittern seiner Finger, das schnelle Pochen seines Pulses. Für einen Augenblick waren wir nur zwei Menschen, die drauf und dran waren, alle gesellschaftlichen Moralvorstellungen zu ignorieren.
Als ich in sein Auto einsteigen wollte, hielt er mich auf.
Die Kunst, ruhig zu bleiben
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Die Kunst, ruhig zu bleiben
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Dezent und reizend
schreibt jostein