Später lagen wir noch nebeneinander, unsere Körper verschlungen im Nachhall der Lust. Die Stille zwischen uns war voller Bedeutung, voller Nachklang. Ich spürte, wie sich eine tiefe, echte Ruhe in mir ausbreitete – nicht die gespielte, nicht die, die ich sonst vorzeige. Sondern die, die nur kommt, wenn man sich ganz hingegeben hat und weiß: Ich habe alles erlebt, alles genommen, alles gegeben, was ich wollte.
Er sah mich an, als würde er mich zum ersten Mal wirklich sehen. Mein wahres Ich. Nicht die Lehrerin. „Wie machen Sie das?“, fragte er leise.
In diesem Moment wurde mir bewusst, dass wir uns immer noch siezten. Eine Tatsache, die ich reizvoll fand und entsprechend nicht ändern wollte.
Ich lächelte. „Ich weiß einfach, wie ich bekomme, was ich will.“
Als ich ging, drückte er mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Bis bald?“
Ich nickte. „Vielleicht.“
Später, als ich allein durch die nächtlichen Straßen nach Hause ging, fühlte ich eine seltsame Leichtigkeit. Nicht das übliche, kühle Gleichmaß, das ich mir im Alltag antrainiert hatte, sondern etwas anderes – eine Ruhe, die von innen kam. Das Spiel mit Macht und Hingabe hatte uns beide verändert, wenigstens für diesen Abend.
Ich dachte an Herrn Albrecht, an seine Unsicherheit, seine Dankbarkeit, an die Art, wie er mich zum Abschied angesehen hatte – als hätte ich ihm etwas geschenkt, von dem er nicht wusste, dass er es vermisst hatte.
Und ich? Ich hatte auch etwas erhalten, hatte mir selbst bewiesen, dass ich mehr bin als die ruhige, unnahbare Lehrerin, die alle in mir sehen wollen. Dass ich nicht nur zuschauen, sondern auch gestalten kann.
Morgen würde ich wieder in die Schule gehen, mein ewig gleiches gelassenes Lächeln aufsetzen wie immer. Niemand würde ahnen, wie leicht es ist, das Gleichgewicht zu verschieben – und wie viel Kraft in einem Moment des Kontrollverlusts liegen kann.
Vielleicht würde mein Handy bald wieder vibrieren. Vielleicht würde ich antworten, vielleicht nicht.
Aber in jener Nacht lag ich wach, spürte das Knistern noch auf meiner Haut und wusste:
Ich war ruhig. Nicht, weil ich nichts fühlte – sondern weil ich endlich alles fühlte.
Die Kunst, ruhig zu bleiben
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Die Kunst, ruhig zu bleiben
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Dezent und reizend
schreibt jostein