Der Französischlehrer allerdings, den Genüssen des Lebens sehr zugetan, wovon auch sein Bauch zeugte, erkannte Sulvas innere Werte. Nicht nur war sie eine seiner besten Schülerinnen, sie liebte auch dieselben Werke wie er, etwa «la peste» von Albert Camuz. Und so reichten die Diskussionen zwischen Monsieur Renot und Sulva tief in die Pausen hinein, was unserem Mauerblümchen den Ruf einer Streberin eintrug. Aber ich beobachtete noch etwas anderes. Während ich in einer Pause an einem Text herumbastelte, den ich never ever auf die Reihe bekommen würde, fiel mir auf, wie Monsieur Renot Sulva ansah. Seine Augen trieften vor Lüsternheit, und ich weiß noch heute, dass Sulva in seinem Kopf splitternackt war, während sie ahnungslos neben ihm saß und sich mit ihm über den Subjonctif unterhielt. «Je t’invite», sagte er heiser. «Mon fils sera aussi là, et il préparera un souper pour nous, afin que nous puissions discuter la littérature. »
So viel Französisch beherrschte ich. Er wollte Sulva zu sich nach Hause einladen. Wir wussten, dass der Sechzigjährige von seiner Frau verlassen worden war, vermutlich, weil er den Genüssen des Lebens zu sehr zugetan war, wie wir spotteten, und wir wussten, dass er mit seinem Sohn, einem Hobbykoch, zusammenlebte. Es war damals üblich, dass Lehrer uns zu sich nach Hause einluden, etwa in Kleingruppen, um mit uns den Physikunterricht zu vertiefen. Niemand fand etwas dabei, aber das hier, diese ganz spezifische Einladung an Sulva, schien mir dann doch ein wenig speziell. Wollte Monsieur Renot die magische Vulva von Sulva kennenlernen?
Der Zufall wollte es, dass sich meine Wohngemeinschaft, in der ich mich sehr wohl fühlte, direkt gegenüber der Wohnung von Monsieur Renot befand. Er lebte im Erdgeschoß, und wir setzten alles daran, nie durchs Fenster zu blicken, denn was der Pauker nach Feierabend trieb, interessierte uns null.
Die magische Vulva von Sulva
33 9-15 Minuten 2 Kommentare
Die magische Vulva von Sulva
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Tja...
schreibt anitaisiris
¡ach menno!
schreibt rockroehre