Die Fürstin war ebenso wie der Graf in dem anderen Kloster, enttäuscht über die einfache, ja fast kärgliche Einrichtung. Ihr Quartier hatte allerdings einige Annehmlichkeiten, die dieser vermissen musste. Sie hatte einen kleinen Raum mit einem Bade Trog in dem man offenbar auch warmes Wasser füllen konnte und die Heizung bestand aus einem so genannten „Mangali“. Das war ein getriebener, geschlossener Kupferkessel, mit abnehmbarer gewölbter Kappe, der auf einem Dreifuss stand und aus der Küche mit glühenden Kohlen gefüllt, in ihren Raum gebracht wurde. Er strahlte angenehme Wärme aus und hielt sehr lange vor.
Nachdem sie ihren Antrittsbesuch bei der Mutter Oberin absolviert hatte, erbat sie das Privileg, den heutigen gemeinsamen Abendessen, dem anschließenden Abendgebet, sowie dem Morgengebet um 4.ooh früh, fern bleiben zu dürfen, sie fühle sich nicht wohl.
Diese Bitte wurde ihr gewährt. Sie hatte sich schon im Vorfeld vorsorglich mit sehr hellem Puder und Schatten unter den Augen präpariert und sah tatsächlich leidend aus.
Ihre Zofe Katharina wurde in der Küche versorgt und von dem Personal sehr nett aufgenommen. Sie kam mit einer warmen Suppe und einem Stück Brot zurück und hatte einige Neuigkeiten zu erzählen.
„Also, das Kloster ist zwar recht weitläufig, doch insgesamt leben hier nur zwölf Schwestern, zwei Novizinnen und die Mutter Oberin. Sie führt ein sehr strenges Regime und die Schwestern haben hier nichts zu lachen. Sie müssen sehr hart arbeiten, sie sind Selbstversorger, beliefern sogar noch das nebenan liegende Männerkloster mit Nahrungsmittel. Gebetet wird fünf Mal am Tag, das letzte Mal nach dem Abendessen. Dann müssen alle in ihren Kemenaten sein und entweder die Bibel studieren, oder Handarbeiten machen, die dann verkauft werden. Jede hat ein gewisses Pensum abzuliefern. Wenn sie das nicht macht, wird sie bestraft“, erzählte die Zofe.
„Wie bestraft?“
„Sie muss in der Sakristei aufgerichtet auf einem Holzscheit eine ganze Nacht knien und beten, oder sie bekommt vor allen anderen Schwestern Hiebe auf ihr nacktes Hinterteil von der Mutter Oberin persönlich“, kicherte sie.
„Das ist ja wie im Mittelalter. Diese Mutter Oberin ist ja eine ganz Geile, ich denke, sie macht das gerne!“, mutmaßte die Fürstin.
„Dann war eine der Novizinnen in der Küche und hat mir zugeflüstert, dass sie Sie morgen am Abend nach dem Abendgebet hier abholen und Sie zu Graf Nikolai bringen wird. Sie sollen sich bereithalten“.
„Wie will Sie denn das machen? Wie kann man denn das Kloster verlassen?“
„Ich weiß es auch nicht, aber wir werden sehen, Herrin“.
Nach dem Frühstück musste sich die Fürstin einer eingehenden Untersuchung unterwerfen, man nahm es ja ernst, dass sie nach einer schweren Krankheit Rehabilitation bräuchte. Die für die Heilkunde zuständige Schwester stellte fest, dass sie an Blutarmut leide, Erschöpfung signalisiere und mental leide.
Sie verordnete verschiedene Kräutertees, Bäder und viel Schlaf. Auf keinen Fall dürfe sie an den nächtlichen und morgendlichen Gebeten teilnehmen und auf keinen Fall bei der Messe knien.
Das war der Erfolg der eigenen eindringlichen Schilderungen der Fürstin darüber, wie sie sich fühlte. Das gewährleistete ihr nun, dass sie weitgehendst von Kontakten und sonstigen gemeinsamen Aktivitäten der Klosterfrauen verschont blieb.
Die Mutter Oberin
Das Etablissement II
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Die Mutter Oberin
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