Die Mutter Oberin

Das Etablissement II

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Die Mutter Oberin

Die Mutter Oberin

Joana Angelides

Nach dem Morgengebet und dem Frühstück macht er sich auf den Weg zum gegenüberliegenden Frauenkloster. Es waren nur wenige Schritte und er genoss den frühen Morgen sehr.
An der Pforte musste er um Einlass bitten, sich ausweisen und dann vor dem Tor warten, obwohl man ihn hier ja sehr gut kannte.
Die Mutter Oberin Theresa empfing ihn wie immer mit ausdruckloser Miene, bot ihm Tschai aus ihrem Samowar an und sah ihn dann erwartungsvoll an.

„Prior Kyrill, was führt Sie zu uns?“
„Ehrwürdige Mutter, ich war vor einigen Tagen bei einem, alle christlichen Konfessionen übergreifenden Konzil in St. Petersburg, das von verschiedenen christlichen Kirchen einberufen wurde und habe interessante Erkenntnisse, Neuigkeiten und neue Regeln betreffend das Zusammenleben mitgebracht. Ich habe das Wichtigste zusammengefasst und erlaube mir, Ihnen einige Unterlagen zu überreichen“, damit übergab er ihr einige Papiere.
„Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen!“, ein kleines Lächeln des Dankes huschte über ihr Gesicht.
„Außerdem hat mir der Cellerar und unser Kellermeister die Abrechnung über das vergangene Wirtschaftsjahr zwischen unseren beiden Klöstern mitgegeben. Wir sind Ihnen sehr dankbar für die Versorgung mit Gemüse und Kräutern und freuen uns auf der anderen Seite wiederum, dass wir Sie mit unseren Pharmazeutika und dem Wein unseres Kellers versorgen durften“, es war eine kleine Spitze wegen des erstaunlichen hohen Weinverbrauches.

Die Mutter Oberin verstand diese Bemerkung natürlich, überging sie jedoch geflissentlich.

„Ja, unsere Zusammenarbeit ist sehr gedeihlich und möge Gott sie segnen!“, sie machte ein Kreuz und senkte die Augen. „Den finanziellen Ausgleich werden unsere beiden Cellerare regeln. Ich werde Schwester Benedikta, die dieses Amt bei uns ausübt, zu Ihnen schicken“.

'Da kann ihr ja Bruder Jarolym vielleicht ein wenig näher kommen?' überlegte Kyrill.

„Ja, das wäre so in Ordnung. Aber nun habe ich noch eine spezielle Bitte und ich bitte Sie, sie wohlmeinend anzuhören“.
„Tragen Sie sie vor“, sie machte eine einladende Handbewegung, obwohl ihr Körper Ablehnung signalisierte, indem sie sofort anschließend die Arme vorne verschränkte und ihn streng ansah.

„Mein Freund, Graf Nicolai Petrowitsch aus St. Petersburg hat mich im Auftrage von Fürst Michail Federow gebeten, bei Ihnen anzufragen, ob seine Frau, Fürstin Natalia Federowa, eine Woche oder länger, in Ihrem Kloster Zuflucht finden darf, um zu meditieren und sich von einer schweren Krankheit zu erholen. Ihre Pflege- und Heilmethoden sind weit über die Grenzen hinaus bekannt. Nennen Sie mir einen Betrag, er wird ihn bezahlen“.

Sie blickte ihn erstaunt an, schloss wieder die Augen, offenbar um ihre Gedanken zu sammeln und sagte dann:
„Ja, das wird sich machen lassen. Ich nehme keine Bezahlung, ich nehme aber gerne eine angemessene Spende für unser Kloster entgegen. Wir helfen ja der Bevölkerung und nehmen auch Kranke und Sieche bei uns auf, da ist uns jeder Betrag recht!“, wohl wissend, dass der Fürst dadurch unter Druck geraten wird und die Spende sicher höher sein wird, als jeder Betrag, den sie nennen würde.
Auch Kyrill wusste das und es amüsierte ihn. Was war sie doch für eine schlaue, mit allen Wassern gewaschene Hexe. Er blieb jedoch ernst und stand langsam auf.
„Mutter Oberin, ich danke für den Tschai, er war ausgezeichnet. Dann werde ich dem Grafen eine Nachricht senden und Sie danach benachrichtigen lassen, wann die Fürstin, mit Zofe natürlich, bei Ihnen eintreffen wird. Gott sei mit Ihnen“, er deutete ein Kreuz an und verließ ihr Amtszimmer.
Er trat auf den langen, zum Garten hin offenen Säulengang, mit Blick auf den Garten hinaus und sah vier der jungen Schwestern in gebückter Haltung dort an den Gemüsebeeten arbeiten. Sie waren zwar in ihre langen schwarzen Röcke und mit ihren unvermeidlichen Kopfbedeckungen fast ganz verhüllt, er konnte aber nicht übersehen, dass sich ganz passable Hinterteile und Hüften darunter verbergen mussten. In seiner Fantasie stand er hinter ihnen und spürte, wie sie sich bewegten. Sofort war er wieder erregt.
Zwei Schwestern kamen um die Ecke des Säulenganges gelaufen und kicherten, als sie ihn sahen, blieben sie sofort stehen, senkten ihre Köpfe, verschränkten die Hände in ihren Ärmeln und gingen gemessenen Schrittes einher.

'Also ganz so unter der Fuchtel dürfte Mutter Oberin die Schwestern doch nicht haben', überlegte er sich.

Sie aber schwebten leicht lächelnd an ihm vorbei. Seine Nasenflügel bebten. Immer wenn er an Frauen vorbeiging, roch er ihren sündigen Duft, überlegte ob sie feucht und bereit waren, hier war es wieder einmal so. Bei der Mutter Oberin gab es da keine Anzeichen, obwohl er ihr über eine Stunde gegenübersaß.
Er blickte ihnen nach. Ob sie gemeinsam eine Zelle hatten, ob sie es miteinander trieben?
„Prior Kyrill, bitte kommen Sie, ich geleite Sie hinaus! Es tut mir leid, ich wurde aufgehalten!“
Er drehte sich um. Schwester Benedikta kam gelaufen und sie war ein wenig außer Atem. Jarolym hatte einen guten Geschmack. Sein Blick umfasste ihre ganze Erscheinung und stellte bei sich fest, dass diese Schwester sicher auch ihn so manche schöne Stunde bescheren könnte!  Sie war ausgesprochen schön, hatte große dunkle Augen und einen, für eine Nonne viel zu üppigen, ja fast schon sündigen Mund. Sie musste seine Gedanken gelesen haben, oder seine Blicke richtig gedeutet haben, denn wie kam es sonst, dass sich eine zarte Röte über ihren Hals nach oben zog. Sie schluckte.
„Mein Kind, Sie brauchen sich nicht zu beeilen, ich hatte dadurch Gelegenheit ihren wunderschönen Garten zu bewundern. Sie und ihre Mitschwestern haben das hier zum Paradies gemacht. Besonders die Rosen sind unglaublich schön. Wenn Sie wegen der Abrechnung zu uns kommen, bitte bringen Sie doch einen Rosenstock für Bruder Jarolym mit, er ist fanatischer Rosenzüchter und wird es Ihnen danken!“.
So, da hatte er nun für Jarolym zumindest die Türe einen Spalt geöffnet.
„Ohja gerne. Ich liebe Rosen ebenfalls!“, sie errötete noch mehr. Ihr war schon mehrmals aufgefallen, dass sie Bruder Jarolym anlässlich der Messen mit seinen Augen verschlang.
Sie ging nun mit Kyrill bis zur Klosterpforte und Schloss danach ab.

Prior Kyrill kehrte zufrieden wie ein Kater schnurrend wieder in sein Kloster zurück. Er musste nun nur noch Graf Nikolai einen Boten schicken, um die Aktion in Gang zu bringen.
Der Bote hatte zwei Botschaften zu überbringen. Eine dieser Botschaften war an Graf Nikolai gerichtet, die andere Botschaft an Madame Alexandrowa. Er hatte außerdem den Auftrag auf Antworten betreffend die Ankunftstermine zu warten.

Graf Nikolai war in einer Art Trancezustand. Die Nachricht war endlich gekommen, man erwartete ihn im Kloster. Er gab vor, seine Güter zu besuchen und machte sich reisefertig.
Er hoffte nun endlich das Gesicht von Lydia sehen zu können. Er malte sich aus, dass er in dieser Woche ganze Nächte und nicht nur wie sonst immer, nur zwei Stunden, Besitz von ihr ergreifen wird können. Seine Fantasie gaukelte ihm bizarre Bilder und Stellungen vor und sein Speer war die meiste Zeit während der anstrengenden Fahrt hart und in Aufruhr. Er vermeinte ihren betörenden Duft, den ihre geöffneten Schenkel immer ausströmten bereits zu riechen, zu schmecken und die Hitze, die sie ausströmten, spüren zu können. Er schloss die Augen und leckte in Gedanken die eingebrannte Lilie ebendort, immer wieder und wilde Schauer rannen ihm dabei über den Rücken.
Seinen Vorschlag, Lydia und die Zofe in seiner Kutsche mitzunehmen, wurde von Madame, zu seinem totalen Unverständnis, abgelehnt.
Er konnte ja nichts von dem Trick der beiden Frauen wissen, die ihm vorgaukeln werden, dass nicht Lydia, sondern eben auch tatsächlich Fürstin Natalia Federowa, ins Kloster kommt. Während Lydia und Natalia ja in Wirklichkeit ein und dieselbe war.
Als Graf Nikolai im Kloster ankam, wurde er freudig von Prior Kyrill und Sub Prior Jarolym begrüßt und es wurde ihm eine der Gästeunterkünfte zugewiesen.
Für Graf Nikolai waren die eher spärlich und ärmlich eingerichteten Räumlichkeiten eine Enttäuschung. Er hatte schon ein wenig mehr Luxus erwartet, aber so war das eben in einem Kloster.

Auch erste Mahlzeit war eher einfach und nicht sehr üppig, doch er wurde dann beim privaten Treffen mit den beiden Freunden, die er ja schon seit vielen Jahren kannte, doch mit einer Extrabewirtung und gutem Wein mehr als entschädigt.
Ein Wehmutstropfen waren jedoch die Exerzitien und die tägliche Messe, sowie die sehr frühe Weck Zeit, um an den Morgengebeten teilzunehmen. Und da konnte ihn der Prior, aus Gründen der Regeln des Ordenlebens, nicht ausschließen.
Außerdem gab es nur kaltes Wasser für die Körperpflege und auch keine Heizung in den Räumlichkeiten. Irgendwie begann er seine Idee, hier her zu kommen, schon zu bereuen. Doch der Gedanke an die zu erwartenden Nächte mit Lydia hielt ihn aufrecht.

Einen Tag nach seiner Ankunft kam auch Fürstin Federowa mit ihrer Zofe im Frauenkloster an. Sie sorgte dort für einige Aufregung. Obwohl sie mit sehr einfacher und züchtiger Garderobe anreiste, waren es doch zwei Schrankkoffer und einige Taschen, die die Zofe und der Kutscher vor dem Tor abluden.
Die Mutter Oberin hatte zwar verfügt, dass der Kutscher nur bis in den Vorraum und in die Küche vorgelassen werden durfte, er trug aber dann doch im Beisein einer der älteren Klosterfrauen die Koffer in die Gästezimmer. Sie waren einfach zu schwer für die Schwestern.
Die Fürstin war ebenso wie der Graf in dem anderen Kloster, enttäuscht über die einfache, ja fast kärgliche Einrichtung. Ihr Quartier hatte allerdings einige Annehmlichkeiten, die dieser vermissen musste. Sie hatte einen kleinen Raum mit einem Bade Trog in dem man offenbar auch warmes Wasser füllen konnte und die Heizung bestand aus einem so genannten „Mangali“. Das war ein getriebener, geschlossener Kupferkessel, mit abnehmbarer gewölbter Kappe, der auf einem Dreifuss stand und aus der Küche mit glühenden Kohlen gefüllt, in ihren Raum gebracht wurde. Er strahlte angenehme Wärme aus und hielt sehr lange vor.
Nachdem sie ihren Antrittsbesuch bei der Mutter Oberin absolviert hatte, erbat sie das Privileg, den heutigen gemeinsamen Abendessen, dem anschließenden Abendgebet, sowie dem Morgengebet um 4.ooh früh, fern bleiben zu dürfen, sie fühle sich nicht wohl.
Diese Bitte wurde ihr gewährt. Sie hatte sich schon im Vorfeld vorsorglich mit sehr hellem Puder und Schatten unter den Augen präpariert und sah tatsächlich leidend aus.

Ihre Zofe Katharina wurde in der Küche versorgt und von dem Personal sehr nett aufgenommen. Sie kam mit einer warmen Suppe und einem Stück Brot zurück und hatte einige Neuigkeiten zu erzählen.

„Also, das Kloster ist zwar recht weitläufig, doch insgesamt leben hier nur zwölf Schwestern, zwei Novizinnen und die Mutter Oberin. Sie führt ein sehr strenges Regime und die Schwestern haben hier nichts zu lachen. Sie müssen sehr hart arbeiten, sie sind Selbstversorger, beliefern sogar noch das nebenan liegende Männerkloster mit Nahrungsmittel. Gebetet wird fünf Mal am Tag, das letzte Mal nach dem Abendessen. Dann müssen alle in ihren Kemenaten sein und entweder die Bibel studieren, oder Handarbeiten machen, die dann verkauft werden. Jede hat ein gewisses Pensum abzuliefern. Wenn sie das nicht macht, wird sie bestraft“, erzählte die Zofe.
„Wie bestraft?“
„Sie muss in der Sakristei aufgerichtet auf einem Holzscheit eine ganze Nacht knien und beten, oder sie bekommt vor allen anderen Schwestern Hiebe auf ihr nacktes Hinterteil von der Mutter Oberin persönlich“, kicherte sie.
„Das ist ja wie im Mittelalter. Diese Mutter Oberin ist ja eine ganz Geile, ich denke, sie macht das gerne!“, mutmaßte die Fürstin.
„Dann war eine der Novizinnen in der Küche und hat mir zugeflüstert, dass sie Sie morgen am Abend nach dem Abendgebet hier abholen und Sie zu Graf Nikolai bringen wird. Sie sollen sich bereithalten“.
„Wie will Sie denn das machen? Wie kann man denn das Kloster verlassen?“
„Ich weiß es auch nicht, aber wir werden sehen, Herrin“.

Nach dem Frühstück musste sich die Fürstin einer eingehenden Untersuchung unterwerfen, man nahm es ja ernst, dass sie nach einer schweren Krankheit Rehabilitation bräuchte. Die für die Heilkunde zuständige Schwester stellte fest, dass sie an Blutarmut leide, Erschöpfung signalisiere und mental leide.
Sie verordnete verschiedene Kräutertees, Bäder und viel Schlaf. Auf keinen Fall dürfe sie an den nächtlichen und morgendlichen Gebeten teilnehmen und auf keinen Fall bei der Messe knien.
Das war der Erfolg der eigenen eindringlichen Schilderungen der Fürstin darüber, wie sie sich fühlte. Das gewährleistete ihr nun, dass sie weitgehendst von Kontakten und sonstigen gemeinsamen Aktivitäten der Klosterfrauen verschont blieb.

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