Die Nacht in Cojimar

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Die Nacht in Cojimar

Die Nacht in Cojimar

Yupag Chinasky

Diese Gedanken quälten ihn auch auf der Landstraße noch immer, der Frust ließ ihn einfach nicht los und dazu kam die Müdigkeit, die ihm immer mehr zusetzte. Um den Qualen zu entkommen, suchte er eine Möglichkeit, das Auto abzustellen und sich auszuruhen. Lokale oder Rastplätze gab es keine, aber zumindest wollte er das Meer betrachten können, die weißen Schaumkronen auf den bleigrauen Wogen, darüber ein grau verhangener Himmel, alles war wenig einladend, alles reichlich trostlos, eine Stimmung, die seinem Gemütszustand ziemlich gut entsprach. Dann sah er das Gebäude auf der kleinen Halbinsel und bog nach rechts ab. Ein Schild an der Kreuzung verhieß Gaumenfreuden: «Casa de la cáscara - excelente comida, excelentes bebidas», aber beim Näherkommen sah er, dass das Haus leer und verlassen war. Vom Parkplatz führte eine kleine Steinbrücke zum Eingang, der Weg war mit Latten versperrt, die kreuzweise übereinander genagelt waren. Aber Andere hatten auch schon in das Haus gewollt, die Latten waren verschoben, die Lücke groß genug und so war es kein großes Problem, das Hindernis zu überwinden. Dann stand er staunend in diesem seltsamen Haus, in diesem Traum, der wohl nie in Erfüllung gegangen war oder schneller ausgeträumt war, als sein Besitzer geglaubt hatte. An vielen Wänden waren Muscheln eingelassen, die Theke war bedeckt mit Muscheln, auf den Böden braune Fliesen mit Muschelbildern. Es gab keine Fensterscheiben, es gab keine Türen, nur ein großer, offener Raum, der zum Meer hin in eine kleine Terrasse überging. Die Gischt hatte den Boden an manchen Stellen feucht und rutschig gemacht, an den Wänden, die nicht mit Muscheln bedeckt waren, sondern mit grobem, weißem Putz, hatten sich grüne Flächen von Algen gebildet. Trotzdem hatte er nicht das Gefühl, dass der bejammernswerte Zustand durch Zerfall entstanden war, sondern weil man die Arbeiten kurz vor Vollendung eingestellt hatte. Er betrachtete die vielen Muscheln eingehend, dann setzte sich auf die niedrige Brüstung der Terrasse und schaute auf das Meer und gab sich seinen Gedanken hin, die nun um diesen wundersamen Ort kreisten und nicht mehr um das entgangene Vergnügen in der letzten Nacht.

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