Ich betätigte die Klingel und schüttelte kurz darauf die angenehm trockene Hand des Hausbesitzers. „Finger“, stellte er sich vor. Mein Name ist Amal Finger, und das hier ist Patricia, meine Gemahlin. In seinem Rücken tauchte eine gepflegte, etwa 40jährige Frau auf, mit wilden, dunklen Locken und einem gewinnenden Lächeln. Ich fühlte mich zu den beiden sofort hingezogen, und als ich Amal Fingers Aftershave roch, ein Duft nach Zedern, spürte ich ein Kribbeln in meinem Unterleib. Ich trat ein, und mein Respekt intensivierte sich, als ich den Leuchter im Korridor, den Marmorboden und den schweren bemalten Schrank bestaunte. Ich habe nicht nur für Porzellan- sondern auch für Möbelmalerei eine Schwäche und verliebte mich sofort in den erwähnten Schrank, dessen Holzduft den gesamten Raum erfüllte. Bestimmt war er erst vor ein paar Tagen aufgefrischt worden. „Möchten Sie zuerst einen Tee – oder gleich Ihr Atelier sehen?“, fragte mich Amal Finger mit seiner sonoren Stimme. Ich lächelte scheu, was wohl so wirkte, als wolle ich sofort mein künftiges Atelier besichtigen. Ich folgte dem Paar in den dritten Stock. Mein künftiger Arbeitsraum raubte mir den Atem. Die Aussicht lässt sich kaum in Worte fassen. Nicht nur sah ich einen wolkenlosen Himmel, sondern in der Ferne ein Gebirgsmassiv, und auf der Höhe meines Fensters schwangen ein paar Trauerweiden ihre Äste im sanften Nachmittagswind. Nebst einem Arbeitstisch, mehreren Ablageflächen und einer Nasszelle gab es sogar ein Bett, umgeben von kleinen geschmackvollen Bildern. Nur die Sujets irritierten mich ein wenig. Sie zeigten kopulierende Paare in allen denkbaren und undenkbaren Stellungen, zu zweit, zu dritt und zu mehreren. Aber das Grundrauschen in meinem Unterleib war immer noch da, die Miniaturkunstwerke machten mich geil.
Alles gut? Fragte mich Patricia Finger und lächelte sibyllinisch. „Alles gut“, bestätigte ich.
Die Porzellanmalerin
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Die Porzellanmalerin
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