Ich, Anita: Doch, wir haben es getan, die Nina und ich. Nach mehreren Chat- und Mail-Nächten habe ich eines meiner hehren Prinzipien über Bord geworfen. Ich habe Nina ein Foto von mir geschickt, ein schlichtes Portrait. Schon früh habe ich damit aufgehört, Nacktbilder von mir im Internet hochzuladen, die Erfahrungen waren durchwegs nicht gut. Ich weiss, dass sich Hunderte wenn nicht Tausende von Männern an mir aufgegeilt haben, und das ist auch nicht das Problem. Ich weiss, dass ich hübsch bin und zeige mich gerne, etwa am kleinen Nacktbadestrand in Zakinthos, von dem hier in der Geschichte mit Nina noch die Rede sein wird. Aber mein Körper wurde immer wieder gephotoshoppt. Photogeshoppt? Wie auch immer. Plötzlich sah ich mein Antlitz auf einem vögelnden Frauenkörper. So hätte ich mich nie gezeigt. Oder sie haben meine Cup C Brüste manipuliert und Rieseneuter draus gemacht. Digitale Vergewaltigung nenne ich das – vielen Männern ist das, was sie bekommen, nie genug. Sie wollen immer noch etwas Zusätzliches. Eine noch nacktere, noch geilere, noch obszönere Anita, Hunderten wenn nicht gar Tausenden von Internet-Voyeuren zum Frass vorgeworfen – dafür fühle ich mich völlig ausser Kontrolle. Persönlichkeitsrechte sind da nüscht. So viel dazu. Jetzt aber zurück zu Nina.
Ich, Nina: Mein Verlangen wurde grösser und grösser. Ich wollte Anita kennenlernen. Gerade ihre neueren, intimen Geschichten rund um Frauen wie Silya oder Amélie haben mich alles vergessen lassen. Wer so schreibt wie Anita, schöpft aus einem Erlebnisfundus, und ich war sicher, dass meine Schriftstellerin diese beiden und viele andere Frauen persönlich kennt, sie womöglich zu sich nach Zakinthos einlädt und dort, wie im Erlkönig, «gar schöne Spiele spiel’ ich mit Dir», jaja. Das wollte ich auch. Gar schöne Spiele mit Anita. Ihr müsst wissen, ich bin nicht von schlechten Eltern.
Eindeutig gesteigert!
schreibt michael_direkt