Die Strafe und die Unterwerfung

Das Etablissement II

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Die Strafe und die Unterwerfung

Die Strafe und die Unterwerfung

Joana Angelides



Kyrill richtete sich ruckartig auf und erwachte wie aus einem Traum. Er musste sich erst zu Recht finden, wo er war, was geschehen war. Pawlow lag noch immer auf dem Schemel, nein hing mehr als er lag, vor ihm. Was war nur über ihm gekommen, konnte er sich nicht zurückhalten? Oh, er hatte es gewusst! Irgendwann würde es geschehen, aber dass es so unbeherrscht über ihn kommen wird, so animalisch und elementar, das erschreckte ihn. Ein undefinierbarer Laut entwich seiner Kehle.
Er streckte seine Hand aus, um Pawlow aufzuhelfen und berührte ihn. Dieser zuckte zusammen und stieß einen leisen heiseren Schrei aus. Er richtete sich jedoch alleine auf.
Die beiden Männer standen sich nun Angesicht zu Angesicht gegenüber und starrten sich an. Kyrill erschrak. Der bisher sehr unterwürfige, demütige, oft auch bewundernde Blick des Knaben war wie weggeblasen. Es traf ihn ein erstaunter, prüfender Blick. Keine Spur mehr von Bewunderung, sondern mehr Verachtung und Zorn war zu sehen.
Pawlow bücke sich und hob die Peitsche auf.
„Diesen Zorn Gottes kann ich auch bemühen? Es wird doch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir eine Peitsche verwenden?“.
Kyrill war so verblüfft über die Veränderung des Knaben, dass er nur nicken konnte.
„Dann hatten Sie ja heute ihren Spaß, Prior. Bitte verlassen Sie mich nun, ich brauche Zeit und Sammlung. Wir sehen uns beim Frühgebet“.

Und nun geschah das Unerwartete, Ungewöhnliche. Prior Kyrill raffte seine Soutane zusammen, schlüpfte in seine Sandale und verließ rückwärtsgehend dem Raum.
Er war offensichtlich der, der unterworfen wurde!

Er rannte fast in seine Kemenate, warf die Soutane auf das Bett und kniete dann minutenlang nackt unter dem Kruzifix und betete. Er fühlte sich plötzlich so schuldig und sündig, dass er nun selbst zu seiner eigenen Peitsche griff und sie erbarmungslos über die Schulter auf seinen Rücken schlug, bis er fast zusammenbrach. Dabei betete er laut weiter.
Sein Körper und alle Sinne waren angespannt. Echte Verzweiflung ergriff ihn und er verwünschte sich selbst ob seiner Begehrlichkeiten.
Niemals könnte er das Geschehene dem Beichtvater bekennen, ohne seine Autorität zu verlieren. Pater Anastasios müsste es am Buß-Freitag öffentlich vorlesen und ihn danach coram publikum auspeitschen lassen. Das ist, wie bisher auch, glattweg unmöglich. Diesen Gedanken konnte er gar nicht zu Ende denken.
Außerdem wäre das Fazit, dass er offiziell jeglichen Kontakt zu Pawlow meiden müsste und das schien ihm in seiner derzeitigen Verfassung und unter der Lage der Dinge, unmöglich. Dieser Abend hatte die Schleusen zu seiner ganz privaten Hölle geöffnet. Es lag ein Pfad vor ihm, der ihn zwar erschreckte aber gleichzeitig in einen Zustand der Verzweiflung, Geilheit, Unterwürfigkeit und Euphorie gegenüber Pawlows führte.

Der Ausweg aus dieser Zwickmühle war, wie bisher, eine Beichte bei seinem Sub Prior Jarolym. Nur so könnte er dem ewigen Fegefeuer entgehen. Sie waren ja immerhin zwei gleichgeschaltete Seelen. Das wurde bisher schon auch von den Mitbrüdern so akzeptiert.
Er auferlegte sich noch einige Gebete und ging dann zu Bett.

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