Er sah ein junges, dünnes, geradezu dürres Mädchen, das aber ziemlich groß war, es war fast so groß wie er und er gehörte gewiss nicht zu den Kleinen im Lande. Sie hatte eine sehr dunkle schwarze-braune Haut, die aber an manchen Stellen mehr, an anderen weniger, mit einem grauen Schleier belegt war und dichte, lockigen, aber verfilzten Haaren, die wie eine Haube oder eine Krone ihren Schädel umrahmten. Auch die Haare wiesen eine deutliche, hellgraue Staubschicht auf und waren bestimmt schon lange nicht mehr gewaschen worden. Auf ihrer hohen Stirn glitzerten sehr viele Schweißperlen in der Sonne. Ihr Gesicht war nicht besonders hübsch, etwas zu breit, vor allem die Nase und die Lippen waren zu voll und sehr nachlässig mit einem viel zu intensiven Rot geschminkt. Wenn sie den Mund aufmachte und das endlose Gekaue eines Kaugummis unterbrach, sah er große, blendend weiße Zähne, die in der oberen Reihe der Schneidezähne, genau in der Mitte, eine deutliche Lücke aufwiesen, eine Art Markenzeichen, dachte er. Das Schönste an ihr waren aber Augen, das fand er von Anfang an, sehr schöne, große Rehaugen, die auch ohne Worte alles Mögliche ausdrücken konnten. Das würde er noch feststellen, aber im Moment lagen darin nur Hoffnung und Verzweiflung und eine große Bitte. Sie trug ein verwaschenes, viel zu großes T-Shirt mit kurzen Ärmeln und großen, schwarzen Scheißflecken unter den Achseln, das wohl einmal violett gewesen war, aber jetzt nur noch ein undefiniertes Blau-grau aufwies. Auf dem Rücken war eine große, blaue, rot umrandete 8 aufgedruckt und auf der Vorderseite das inzwischen verwaschene Emblem einer Uni, die sich nicht mehr identifizieren ließ. Ihre Shorts waren im Gegensatz zu dem Hemd, äußerst knappe und mit auffallend großen Knöpfen bestückt. Auch sie hatten die Farbe gewechselt, denn sie waren bestimmt einmal weiß gewesen, aber nun nur noch grau und ziemlich verdreckt.
Bittersüß
schreibt Thunders