Gestatten, dass ich mich kurz vorstelle? Mein Name ist Barbara, aber alle nennen mich Bärbel. Ich bin 39 Jahre alt, Bibliothekarin, geschieden, keine Kinder. Ich liebe Katzen und brasilianische Musik. Ich fahre gerne nach Dänemark in Urlaub, liebe englische Krimis, grünen Tee, und Zitronenkuchen.
Und ich bin Voyeur. Also genauer gesagt. Voyeurin.
Ich weiß, das ist etwas sehr Intimes, nichts, worüber man gerne offen redet. Aber es ist nun mal so. Ich liebe es, Menschen beim Sex zuzuschauen. Geheim, natürlich. Das macht mich vielleicht ein wenig besonders. Als Frau, meine ich. Ich habe darüber nämlich mal nachgeforscht: Voyeurismus gilt in der Psychiatrie als Störung der Sexualpräferenz, als krankheitswertige sexuelle Abweichung von der Norm. Es ist eindeutig eine männliche Vorliebe. Die meisten Menschen haben zwar voyeuristische Neigungen, wenn sich ihnen zufällig die Chance dazu bietet, wie kanadische Forscher in einer Studie herausfanden. 70 Prozent der Männer würden sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen, und immerhin 40 Prozent der Frauen würden die voyeuristische Chance nutzen. Aber Männer gehen dieser Obsession viel gezielter nach als Frauen. Angeblich liegt der Reiz für sie darin, die Grenzen der Privatheit ihrer Opfer – Frauen und Mädchen – zu übertreten. So die Erklärung der Forscher. Und das Risiko, dabei ertappt zu werden, mache für sie einen besonderen Kick aus.
Fast wie bei Exhibitionisten. Darunter gibt es angeblich auch kaum Frauen. Tatsächlich ist sogar der Straftatbestand des Exhibitionismus allein Männern vorbehalten. Bei Frauen spricht man dagegen höchstens von Erregung öffentlichen Ärgernisses. Oder von einer erotischen Darbietung. Sorry für den Sarkasmus.
Damit ich jetzt nicht falsch verstanden werde. Ich bin zwar Voyeurin, aber ich würde mein besonderes Hobby nicht als krankhaft bezeichnen. Eher als, nun, sagen wir, speziell.
Die Voyeurin
84 10-17 Minuten 1 Kommentar
Die Voyeurin
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Unglaublich gut geschrieben
schreibt anitaisiris