Die Winter-Ruhe-Oase oder „Wo die Energien fließen“

Eine nicht alltägliche Familie - Teil 52

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Die Winter-Ruhe-Oase oder „Wo die Energien fließen“

Die Winter-Ruhe-Oase oder „Wo die Energien fließen“

Grauhaariger

"Eine nicht alltägliche Familie“ ist die dritte Staffel der Geschichten um die Pilotin Olivia Andersson. Aufbauend auf „Eine nicht alltägliche Beziehung“ und "Eine nicht alltägliche Ehe".

Nach der Rückkehr von ihrem Ausflug in den Tierpark und einem guten Nachtessen saßen alle noch beisammen im Wintergarten von Caro und Jeanine. Sie sprachen über dies und das, und auch die Kinder waren immer noch ein wenig aufgedreht, hatten sie doch so viele Eindrücke von diesem Ausflug mitgenommen. Caro nahm noch einen Schluck von ihrem Wein und ging ins Wohnzimmer hinein.
An der Türe drehte sie sich zu den Kindern um und fragte: „Chömed ihr?“
Sofort sprangen Clara und Leon auf und eilten Caro hinterher. Olivia und Martin schauten sich fragend an und Jeanine meinte daraufhin nur: „Lasst euch überraschen.“
Nach ein paar Minuten kamen die drei wieder in den Wintergarten und Clara und Leon hatten je ein großes „Couvert“ (Umschlag) in der Hand. Die beiden traten vor ihre Eltern hin und Clara gab Olivia das Couvert und Leon streckte seines Martin hin.
In großen Buchstaben stand darauf „G U T S C H E I N“ und außerdem war oben in der Ecke noch ein gelbes Logo und „Grimselwelt“ aufgedruckt. Mit großen Augen und nicht sicher, was da vorging, nahmen Olivia und Martin die Couverts entgegen und Leon sagte voller Ungeduld: „Los macht schon auf!“
Alle anderen nickten nur, so dass Olivia und Martin nichts anderes übrigblieb, als der Aufforderung von Leon zu folgen und die Couverts zu öffnen. Staunend sahen sie, dass dies Gutscheine für eine Übernachtung in der Winter-Ruhe-Oase im Hotel Grimsel Hospiz waren. Als sie das Datum sahen, meinte Olivia fast entsetzt: „Das ist ja schon morgen …!“
„Wir haben das mit Clara und Leon schon die letzten Tage geklärt und haben daher etwas Altersgerechtes für die beiden organisiert, damit ihr eine Nacht für euch alleine habt“, beruhigte sie Caro.
Jeanine nahm den Faden auf und erklärte: „Dies ist ein Dankeschön für eine schöne und ganz besondere Freundschaft mit euch. Caro und ich hatten die Idee und haben es auch organisiert. Wir haben noch Daniela und Patricia angefragt und sie haben sich sofort bereit erklärt, auch einen Beitrag beizusteuern.“
Dann zeigte sie noch augenzwinkernd auf die beiden Kinder und ergänzte: „Und diese beiden haben auch einen Franken aus dem ‚Sparstrumpf‘ gegeben!“
Olivia schaute sie sprachlos mit offenem Mund an und Martin rieb sich mit der Hand ratlos über das Kinn. Ganz langsam kam Leben in die beiden und sie umarmten ganz innig Schäni und Caro, und auch ihre Kinder bekamen ganz viel Liebe für die gelungene Überraschung.
„Aber wenn wir fast zwei Tage weg sind“, fragte Olivia Clara und Leon sorgenvoll, „ist das für euch wirklich in Ordnung?“
„Klar geht das in Ordnung. Das ist doch fast gleich, als würden wir bei Ela übernachten“, sagte Clara selbstbewusst und nahm Leon an der Hand, „oder, was meinst du, Brüderchen?“
Ja, ja …“, tönte es etwas kleinlaut von Leon, aber er nickte ganz entschieden mit dem Kopf. „Caro hat versprochen, dass wir ganz tolle Sachen erleben können.“
Caro und Schäni drückten die beiden Kleinen liebevoll und meinten: „Dann ist es also beschlossene Sache.“ Und an Olivia und Martin gewandt: „Habt ihr gehört … Morgen macht ihr zwei einen Abflug in Richtung Berner Oberland … keine Diskussion! Aus! Amen! Basta!“

*****

Am nächsten Morgen war es dann so weit. Olivia war noch ein wenig müde vom gestrigen Abend, denn Martin hatte ihr noch wie gewünscht „den Hirsch“ gemacht, aber sie freute sich trotzdem auf die kommenden zwei Tage. Etwas wehmütig nahm Olivia zuerst Leon und danach Clara in den Arm und fragte beide nochmals, ob wirklich alles in Ordnung wäre. Auch Martin drückte seine Kinder noch einmal an sich und verabschiedete sich von den beiden.
Jeanine gab Martin noch einen Zettel mit der Bemerkung: „Hier habe ich dir noch die Adresse aufgeschrieben. Grimselstraße 19 und hinter dem Gebäude hat es Besucherparkplätze, dort könnt ihr dann das Auto abstellen. Denkt daran, Treffpunkt ist um spätestens 10:45 Uhr, ist alles in den Unterlagen beschrieben.“
„Gute Fahrt!“, riefen alle dem wegfahrenden Auto hinterher. Olivia und Martin winkten noch den Kindern und ihren Freundinnen zu … und dann waren sie unterwegs … alleine.
Nur sie beide, Olivia und Martin, wie früher, als sie sich kennen- und lieben gelernt hatten. Schon kurz nach der Abfahrt vermisste Olivia ihre kleinen „Quälgeister“, aber die Aussicht, einen Tag und eine Nacht mit ihrem geliebten Mann einfach so zu verbringen, zauberte wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht.
Sie folgten der Stimme des Navigationssystems, mal rechts, mal links, dann wieder geradeaus und schon nach kurzer Zeit waren sie auf der Autobahn in Richtung Bern und Berner Oberland. Noch 120 Kilometer waren nach Angabe des Navis zu fahren, doch sollten zurzeit auf dieser Strecke keine Verkehrsbehinderungen zu erwarten sein. Obwohl dichter Verkehr herrschte, kamen sie trotz der für deutsche Verhältnisse gemächlichen Geschwindigkeit gut voran.
Vorbei an der Raststätte Grauholz wechselten sie kurz darauf wie vom Navi angegeben, von der A1 auf die A6. Die Autobahn führte sie fast mitten durch die Stadt Bern, und als sie etwas später die Stadt passiert hatten, konnten sie schon bald die schneebedeckten Alpen erkennen. Immer näher kamen sie auf ihrem Weg den Bergen, welche schon bald fast zum Greifen nah waren. Vorbei am Thunersee und am Jungfrau Park in Interlaken, welcher ein Überbleibsel des Mystery Parks des Schweizer Autors Erich von Däniken war, konnten sie schon bald das blaugrüne Wasser des Brienzersees erkennen.
Die Berge rückten noch näher zusammen und die Autobahn hatte sich auf eine Hauptstraße verengt. Noch 16 Kilometer oder knapp 20 Minuten Fahrzeit zeigte das Navi an. Ein plötzlich einsetzendes Donnern ließ Olivia und auch Martin aufschrecken, als zwei Kampfjets kurz hintereinander mit eingeschalteten Nachbrennern quer über ihren Wagen flogen und in den Himmel aufstiegen.
Silbergrau und mit dem Schweizerkreuz auf der Heckflosse stiegen die Flugzeuge steil gegen den Himmel und verschwanden schon bald aus dem Blickfeld der beiden.
„Was ist denn hier für eine Militärbasis?“, fragte Olivia mehr sich selbst.
Martin zuckte nur mit den Achseln: „Keine Ahnung. Du bist hier das Fliegerass, nicht ich.“
„Mein Lieber … dumm verkaufen kann ich mich selber, da brauche ich dich nicht!“, lachte Olivia und schlug ihrem Mann mit der Faust auf den Oberarm. „Dann sag mir wenigstens, wo wir jetzt genau sind.“
„Laut Navi sind wir in der Nähe von Brienzwiler.“
Die Neugierde ließ Olivia nicht los und so griff sie nach ihrer Tasche hinter ihrem Sitz. Kurz darauf hatte sie ihr Tablet in der Hand und begann den gewünschten Bereich der ICAO-Luftkarte zu suchen.
„Hm …“ brummelte sie vor hin. „FL130 GND, LSMM 1893… Restricted, restricted, restr…”.
„Sprich deutsch mit mir!“, unterbrach Martin das Selbstgespräch von Olivia.
„Och … Also, das ist der Militärflugplatz Meiringen und rundherum hat es nur Flugeinschränkungen und Sperrgebiete“, gab sie ihm zur Antwort. „Auf der Luftkarte hat es da mehr rote Flecken als etwas anderes. In der Regel fliegen wir hier in einer Höhe von 30‘000 bis 35‘000 Fuß und einer Geschwindigkeit von etwa 450 Knoten darüber. Da sieht man von oben halt nicht alle Details.“
Während der Vorbeifahrt schaute Olivia immer wieder zur Piste und den Flugplatzgebäuden hinüber. Außer zwei großen Hubschraubern sah sie keine weiteren Flugzeuge. „Wo sind denn alle anderen Flugzeuge abgestellt? Sind die alle in der Luft oder in den Hangars? Die haben doch sicher mehr als zwei davon…!“
„Ist vielleicht eines der vielen Geheimnisse in diesem Land“, meinte Martin darauf. „Wie, das Bankgeheimnis, das Rezept des Appenzellerkäse, und und und …“.
Auf den letzten Kilometern vor dem Ziel schlängelte sich die Straße durch die Serpentinen über den „Chirchen“ und schon ein paar Minuten später sagte die Stimme des Navigationssystems: „Sie haben ihr Ziel erreicht. Es befindet sich auf der linken Seite.“ Sie folgten dem Wegweiser und nach ein paar Metern fanden sie einen freien Besucherparkplatz.
Olivia und Martin stiegen aus dem Wagen aus und streckten sich genüsslich, auch wenn die Fahrt nicht einmal ganz zwei Stunden gedauert hat. Sie nahmen ihre Rucksäcke, welche sie auf Anraten von Caro anstelle eines Koffers mitgenommen hatten, aus dem Kofferraum und begaben sich zum Treffpunkt, wo bereits einige Leute warteten.
Eine Führerin begrüßte sie ganz herzlich: „Guten Tag, mein Name ist Magdalena Abplanalp, aber ihr könnt mich Leni nennen und ich bin eure Begleiterin für die Erlebnisanreise zum Grimsel Hospiz.“ Anschließend kontrollierte sie anhand der Gästeliste die Buchungen und Gutscheine und wandte sich an die wartende Gruppe.
„Also nochmals herzlich willkommen im Namen der KWO, der Kraftwerke Oberhasli AG, zu ihrem Erlebnis in der Winter-Ruhe-Oase im Hotel Grimsel Hospiz. Wir werden in knapp 10 Minuten unsere Reise beginnen. Das Postauto führt uns dann zu den Kraftwerken in der Handegg, dann geht es weiter mit der Seilbahn bis zur Gerstenegg. Von dort fahren wir dann durch den Versorgungsstollen bis zum Kraftwerk Grimsel 1 und die letzte Etappe geht es dann noch mit der Hospizbahn bis zum Grimsel Hospiz. Wenn sie Fragen haben, wenden sie sich ungeniert an mich.“

*****

Olivia und Martin sahen sich erstaunt an, hatten sie doch keine Ahnung, was auf sie zukam. Auf Wunsch von Caro und Schäni hatten sie darauf verzichtet, im Internet nach „Grimselwelt“ zu suchen und sich vorab zu informieren. Schon nach wenigen Minuten traf das gelbe „Postauto“ ein und die wartende Gruppe wurde gebeten einzusteigen.
Die Fahrt führte sie vom Dorf weg und kurz darauf stieg die Straße an weiter in die Berge. Schon bald war die Landschaft durchgehend mit Schnee bedeckt und die Schneeberge entlang der Straße wurden höher. Immer wieder blitzte die Sonne zwischen den Berggipfeln hindurch und die Leute im Postauto wurden vom reflektierenden Licht geblendet. In Guttannen erreichten sie den „offiziellen“ Endpunkt der Postautolinie, da ab hier im Winter die Straße für den Verkehr gesperrt ist.
„Aber für Gäste des Hospiz fährt das Postauto noch weiter bis zur Handegg, weil die Straße extra für den Werksverkehr geräumt wird“, erklärte Leni Abplanalp der Reisegruppe und bat sie, sitzen zu bleiben. Weiter fuhr das Postauto bergauf und auf der Straße hatte es nun sogar eine leichte Schneedecke.
„So, hier müssen wir jetzt auf die Luftseilbahn wechseln, welche uns dann in die Gerstenegg bringt“, war die weitere Erklärung von Leni.
Mit einer schaukelnden Bewegung setzte sich die Gondel in Bewegung. Ein paar Fahrgästen bereitete das Schaukeln ein wenig Mühe und jedes Mal, wenn die Kabine einen Masten passierte und danach in Längsrichtung pendelte, hatten sie ein flaues Gefühl im Magen. Den Anderssons bereitete dies keine Probleme und sie schauten fasziniert auf das umliegende Bergpanorama. Ganz eng schmiegte sich Olivia an Martin, der sie natürlich liebend gerne in die Arme nahm und ihr zwischendurch einen sanften Kuss seitlich auf den Hals gab. Immer höher stiegen sie und an der rechten Bergflanke konnten sie sogar Gämsen entdecken, welche sich mit Leichtigkeit über die Felsen bewegten.

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