Die Fessel

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Die Fessel

Die Fessel

Eva Wittmann

Der Schnittpunkt ihrer Koordinaten hieß Plaza Santa Maria. Just als die Kirchturmuhr zwölf schlug und das geschäftige Treiben wegen einer Gedenkminute plötzlich innehielt. Eine lange Minute standen sie nebeneinander und erinnerten sich an die Busfahrt. Sie an die vagen Seitenblicke. Er, dass er keinen Mut hatte, sie anzusprechen. Als sich das allgemeine Schweigen auflöste, fragte er: "Gibt es in diesem Nest auch eine funktionierende Internetverbindung? Überall, wo ich es versucht habe, streiken die Computer."

"Kommen Sie, die Bibliothek hat sogar ADSL." Sie zeigte auf das geflaggte mittelalterliche Gebäude und er fragte: "Sind Sie von hier?"

"Nein, aber lange genug da, um Sie gleich als Fremden auszumachen. - Tourist sind Sie jedenfalls nicht. Was wollen Sie damit fotografieren?"

Er nahm sie lachend mit der Canon ins Visier. "Am liebsten Sie. - Aber ich habe mich breitschlagen lassen. Fotos für eine Reiseagentur, die auf Folklore steht."

Tatsächlich hatte er daran gedacht. Die ganze Zeit. Dachte daran, als er ihr folgte. Das schwarze, weite Oberteil ließ sie noch schlanker, noch porzellanener wirken. Wie ein Vorhang fiel es weich über ihre Schultern, bot Schulterblättern und Nacken eine kontrastvolle Kulisse. Die Treppe hinauf überlegte er, wie es wäre die kleine Kuhle am Haaransatz zu küssen.

Oben wechselte sie ein paar Worte mit der Bibliothekarin. Dann begleitete sie ihn an den Computer. "Sie können sich Zeit lassen, die nächsten zwei Stunden ist niemand vorgemerkt."

Er hätte sich gewünscht, sie hätte ihn etwas gefragt. Ob es ihm hier gefalle, wie lange er bliebe, die üblichen Fragen. Er zögerte sich dem Computer zuzuwenden und kam sich vor wie ein dummer Junge , weil ihm selbst nichts passendes einfiel.

"Na dann. Viel Glück. - " Sie blieb. Abwesend blieb sie stehen, als suchte sie in Gedanken noch etwas, das er aber nicht mit sich in Verbindung bringen konnte. Es war nicht direkt unangenehm, weil sie dabei eher durch ihn hindurchsah und er solange bei den Lippen bleiben konnte. Rot geschminkt, dem einzigen Farbtupfer in Form einer reifen Kirsche, wo reizvolle Widersprüche zusammenliefen. Schon kehrte sie von dem flüchtigen Ausflug zurück. "Das mit dem Fotografieren, war das eigentlich ernst gemeint?"

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