Das Plakat - es hängt im Tonstudio - zeigt einen weichgezeichneten Karl mit gebleckten Zähnen und Föhntolle. Unterhalb des Portraits steht in geschwungenen Lettern geschrieben: "Mr. Romantic". Das Poster entstand, als der Karl sich noch als professioneller Zitherspieler verdingte und den Touristen des Hotels Belle Vue in Seefeld den Kaiserschmarrn musikalisch versüßte. Seit mehreren Jahren plagt Rheuma Karls Finger und lässt ihn kaum noch zur Zither greifen. Sein Geld verdient er aber weiterhin mit Touristen. Das gerissene Geschäftsmodell: Etwas einmal im Monat reist der unappetitlich dicke, immer nach Schweiß miefende Klavierlehrer Schiminek mit seinem Mofa aus dem Stubaital an. In weniger als zwei Stunden spielt er dann auf Karls Heimorgel mit Begleitautomatik zehn Lieder ein, die meisten davon Evergreens wie Strangers in the Night oder What a Wonderful World. Karls Frau Irmgard zieht die fertigen Lieder auf Kassette und verkauft sie im Tiroler Fremdenverkehr zum Stückpreis von fünfzig Schillingen an Touristen. Besonders stolz ist Karl auf seinen "Verkaufsschmäh": Trickreich betitelt er Kassetten für Seefeld als "Seefeld Souvenir", für Kufstein als "Kufstein Souvenir" und so fort, wobei der Inhalt der Kassetten immer derselbe ist. Wie mögen die Touristen reagieren, wenn sie - wieder zuhause in Düsseldorf oder Berlin - voller Vorfreude ihr Urlaubs-Souvenir in die Bang & Olufsen-Anlage schieben und diese ihnen das jämmerliche Geklimper von Karls Heimorgel ausspuckt? Gerne würde ich dem Karl raten, doch Kosten zu sparen und die Kassetten einfach leer zu lassen. Wenn der Karl über seine Kassetten spricht, leuchten seine Augen. Dann grinst er lausbübisch und erzählt, wie der Besitzer des Tyrolis-Studios ihn schon mehrfach vor die Tür gesetzt hat, weil er den Markt durch seine Kampfpreise versaue. Sodann kommentiert er seinen Rausschmiss: "Die erklär'n mi alle für narrisch, weil die net versteh'ng, wie i arbeit."
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